Das komplizierte Tarifsystem des VVS könnte 2019 reformiert werden. Foto: factum/Bach

Nicht nur in Stuttgart, auch im Umland könnten Tarifzonen zusammengelegt werden. Die Landkreise überlegen einen großen Wurf bei der Reform.

Region Stuttgart - Das von 2019 an geplante günstige Stuttgarter Stadtticket mit dem gesamten Gebiet der Hauptstadt in nur einer Tarifzone weckt Begehrlichkeiten. In den Landratsämtern von Ludwigsburg, Esslingen, Böblingen und Waiblingen wird überlegt, auch im Umland Tarifzonen zusammenzufassen. Es könnte darauf hinaus laufen, dass die gesamte Region nur noch in drei Tarifzonen eingeteilt wird.

Am Weitesten geht dabei der Esslinger Landrat Heinz Eininger. „Wir müssen die Verbindungen nach Stuttgart hin günstiger machen“, sagt sein Sprecher Peter Keck. Und das soll dadurch gelingen, dass die drei Tarifgebiete zusammengelegt werden, die direkt an Stuttgart grenzen, also bislang die Zonen 3, 4 und 5. Keck: „Sonst entstehen Ungerechtigkeiten.“

Auch im Ludwigsburger Kreistag denkt man in diese Richtung. „Wer von Ludwigsburg nach Tamm fährt, löst zwei Zonen, in Stuttgart kann man von Weilimdorf bis Hedelfingen in einer Zone fahren“, kritisiert der Freie-Wähler-Sprecher Rainer Gessler. Und im Kreis Böblingen sieht der Landrat Roland Bernhard die Pendler benachteiligt, die jeden Tag nach Stuttgart fahren. Je weiter sie fahren müssten, desto teurer werde es, sagt sein Sprecher Dusan Minic.

Ungleichgewicht zwischen Stuttgart und Umland

Auch der Geschäftsführer des Verkehrsverbunds VVS, Horst Stammler, sieht Handlungsbedarf: „Es ist schwer nachzuvollziehen, wenn die Landeshauptstadt mit 600 000 Einwohnern eine Tarifzone bildet und der Landkreis Esslingen mit weniger Bürgern 15 Zonen hat.“ In einem ersten Schritt sollen die sogenannten Sektorengrenzen fallen. Die rund um Stuttgart gelegten Ringe sind bislang noch weiter unterteilt. Dadurch gibt es in der Region zurzeit 49 einzelne Tarifzonen.

Diese Vereinfachung ist bereits in Arbeit. Für den Esslinger Landrat Heinz Eininger reicht das jedoch nicht. „Das ist zu kurz gesprungen“, erklärt sein Sprecher, „dadurch werden nur Bahnkunden entlastet, die tangential fahren.“ Also etwa von Ludwigsburg nach Leonberg.

Eines ist allerdings klar: Wenn keiner mehr bezahlen soll als bisher, wird die Vereinfachung für die Kommunen und Kreise teurer. Stuttgart muss jährlich 14,3 Millionen Euro für die „Stadtzone“ tragen. Die Abschaffung der Sektoren im Umland kostet 3,8 Millionen. Was die Zusammenlegung auf nur noch drei Zonen finanziell bedeutet, ist noch offen. Der Ludwigsburger Landrat Rainer Haas warnte am Montag im Kreistag: „Jede Verbesserung führt zu zusätzlichen Kosten, die wir tragen müssen.“ Da gehe es um hohe Millionensummen. Grundsätzlich solle lieber mehr Geld in die Verbesserung des Nahverkehrs investiert werden, so Haas, als die Preise zu senken.

Die Grünen sehen das anders. „Den Kunden bleibt bislang nichts anderes übrig, als die ständigen Kostensteigerungen zu akzeptieren“, sagt die Ludwigsburger Grünen-Kreisrätin Doris Renninger, „ein guter Nahverkehr muss uns Steuergelder wert sein.“ In Esslingen ist man schon einen Schritt weiter und macht erste Finanzierungsvorschläge. „Wir könnten die Vergünstigungen für Firmenticket-Inhaber vor 9 Uhr streichen“, sagt der Landrats-Sprecher Peter Keck. Ob das allerdings ausreicht, ist offen.

Reformvorschläge noch dieses Jahr

Der Zug fährt jedenfalls in Richtung Reform. Und zwar ziemlich flott: Die vier Landkreise Esslingen, Böblingen, Ludwigsburg und Rems-Murr und die Stadt Stuttgart bilden als Gesellschafter des VVS jetzt eine Arbeitsgruppe, die bis Jahresende Modelle ausarbeitet. Im nächsten Jahr könnte dann politisch entschieden werden. Auch der Regionalverband ist mit im Boot. „Jetzt liegen alle Vorschläge auf dem Tisch“, erklärt die Sprecherin Dorothee Lang.

Zum 1. Januar 2019 könnte die neue VVS-Tarifwelt Realität werden – wenn sich die Kommunalpolitiker einig werden.

Vertreter der Bahnkunden sind skeptisch. „Man muss aufpassen, dass es nicht zu viele Verlierer gibt“, sagt Stefan Buhl, der Landesvorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn. Ein einfaches System sei nicht automatisch gerechter und werde sehr teuer. Die Gefahr bestehe, dass die Ticketpreise im Gegenzug steigen würden.

Mit etwas Abstand wird die Lage im Kreis Göppingen betrachtet, der nicht zum VVS gehört. Bis 2019/20 will man in den Verkehrsverbund integriert werden, wie Jörg-Michael Wienecke vom Landratsamt erklärt. Bis dahin gilt: „Die Diskussion über die Zonen geht uns nichts an.“