Der „Schwäbische Laokoon“ muss am Stadtpalais weichen. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Der „Schwäbische Laokoon“, das S 21-Denkmal, darf nicht weiter am Stadtpalais stehen. Es wird nun sogar zur Chefsache. Bis Pfingsten will OB Nopper entscheiden, was mit der Skulptur von Künstler Peter Lenk passieren soll.

Stuttgart - Über Kunst lässt sich nicht streiten. Daran hält sich auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Es heißt, er habe vornehm geschwiegen, als er das Kunstwerk von Peter Lenk zum ersten Mal in Augenschein nahm. Man darf davon ausgehen, dass in diesem Fall Schweigen nicht Zustimmung bedeutet. Schließlich wird Kretschmann hier neben anderen Ministerpräsidenten mit fast entblößtem Gemächt dargestellt. Nackte Tatsachen also, die das Immobilien- und Verkehrsprojekt Stuttgart 21 in ein Kleid aus Satire und Kunst hüllen.

 

Ganz anders als die vox populi. Dem einfachen Mann, der einfachen Frau gefällt’s. Das belegen die täglichen Pilgerströme der Neugierigen und Kunstbeflissenen hin ans Stadtpalais. Bei Lenks Schöpfung macht es klick, erst bei den vielen Kameras, dann auf den sozialen Medien. So weit, so gut. Gäbe es da kein künstlerisches Verfallsdatum. Denn eigentlich hätte das, was manche im Gegensatz zum Künstler selbst für reine Provokation halten, schon seit März weg sein sollen. Der Vorplatz am Stadtpalais war sozusagen nur eine Interimsspielfläche für die satirische Auseinandersetzung mit dem Milliardenprojekt S 21 und dessen Geflecht mit der Politik. Und nun ist amtlich: Spätestens im Juni muss das gewaltige Werk, das neun Meter Höhe und zehn Tonnen Gewicht misst, verschwunden sein. Die Ausnahmegenehmigung läuft ab.

Online-Petition wünscht den Verbleib

Während sich nun manche wünschen, dass Peter Lenk das Werk zu seinen anderen Skulpturen in den heimischen Garten nach Bodmann am Bodensee holt, kämpft eine Initiative unter Führung von Lenk-Intimus Bernd Spellenberg um den Verbleib des „Hinguckers“ (Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle) in der Landeshauptstadt. 800 Unterschriften, eine Online-Petition und 150 000 Euro für Materialkosten hat Spellenberg bereits gesammelt und hofft damit, auch die politische und kulturelle Spitze der Stadt für einen Verbleib zu erwärmen. Allein, bisher fand sein Werben bei Oberbürgermeister Frank Nopper keinen Widerhall. „Sieben Wochen hat Nopper nicht geantwortet, um über einen Verbleib des Kunstwerks zu reden“, erklärte Spellenberg leicht resigniert im Bezirksbeirat Mitte. Dabei handele es sich bei dem Kunstwerk um eine potenzielle Attraktion nach dem Muster der inzwischen berühmten Imperia. Auch dort habe die Statue einer üppigen Kurtisane mit tief ausgeschnittenem Dekolleté zunächst größten Widerstand bei der römisch-katholischen Kirche sowie der Politik und der Bürgerschaft ausgelöst. Nun sei sie laut Lenk nicht nur ein Wahrzeichen von Konstanz, sondern auch ein Magnet für viele Touristen. Daher fordert der Lenk-Freund Spellenberg: „Die Landeshauptstadt sollte den Mut haben, das Kunstwerk weiterhin einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“

Bezirksbeirat gegen den Standort Stadtpalais

Das sehen die Mitglieder des Bezirksbeirates Mitte sowie dessen Vorsitzende Veronika Kienzle ganz genau so. In Eintracht und Einstimmigkeit votierte der Rat zwar für den Verbleib des Kunstwerkes in Stuttgart, aber gegen den Standort Stadtmuseum. „Das Kunstwerk gehört nicht an den Bodensee, sondern nach Stuttgart. Und zwar nicht nach Ober- oder Untertürkheim, sondern im Blick zum Hauptbahnhof“, bekräftigte Veronika Kienzle die Haltung des beratenden Gremiums. Sie könnte sich den Urbanplatz als dauerhaften Ort für die Leihgabe von Peter Lenk vorstellen. Doch über das Ob und Wie habe letztlich die „Stadtspitze“ zu entscheiden, wie Kulturamtsleiter Marc Gegenfurtner den Bezirksbeirat sowie Bernd Spellenberg wissen ließ. „Es gibt viele Optionen, allein das Stadtpalais ist keine“, sagt Gegenfurtner, „die Stadtspitze will sich bis Pfingsten äußern und dann auch mit Peter Lenk sprechen.“ Damit werden die nackten Tatsachen zu S 21 also zur Chefsache im Rathaus. Nur einer wird wohl weiterhin schweigen: Winfried Kretschmann.