Minister Lucha beim Besuch in einer Wohngruppe für sogenannte „Uma“ in Leonberg. Foto: dpa

Beim Besuch einer Wohngruppe in Leonberg für minderjährige Asylbewerber wirbt der Sozialminister um Verständnis. Die Altersfeststellung soll in Baden-Württemberg bald neu geregelt werden.

Leonberg - Es waren vor allem die Morde in Freiburg und Kandel und die Kriminalität einer jungen Bande in Mannheim, welche die unbegleiteten minderjährigen Asylbewerber (Uma) jüngst in die politische Debatte katapultierten. Sowohl CDU, aber auch FDP und AfD im Land forderten strengere Regeln für die Altersfeststellung bei Flüchtlingen – sie soll den Jugendämtern entzogen und den Ausländerämter übertragen werden. Ein Status als „Uma“ – so weit zum Hintergrund – bringt Vorteile, etwa in der Betreuung aber auch, weil er vor Abschiebung schützt. „Das System der Altersfeststellung funktioniert nicht“, meinte kürzlich Innenminister Thomas Strobl (CDU), und der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke ergänzte: „Es ist seit Monaten bekannt, dass angebliche Uma im großen Stil über ihr Alter lügen.“

Kein neues Öl ins politische Feuer

In dieser aufgeheizten Atmosphäre hat Sozial- und Integrationsminister Manfred Lucha (Grüne) am Mittwoch Pressevertreter zum Besuch von Jugendwohngruppen für 23 minderjährige Flüchtlinge in ein Haus in der Altstadt von Leonberg eingeladen. Dort werden sie vom Waldhaus-Verein betreut. „Wie sieht ihr Alltag aus – wie leben junge Geflüchtete?“ Diese Fragen wollte Lucha in den Vordergrund stellen, und er vermied es dabei, erneut Öl ins politische Feuer zu gießen. Allenfalls zum Zitat von FDP-Chef Rülke ging der Minister auf Distanz: „Ich vermeide absolutistische Äußerungen. Die Uma sind nicht alle Engel, aber es sind auch nicht alle Lügner.“

Es sei die Aufgabe der Landesregierung, die Altersfeststellung, die Identitätsprüfung und den Abgleich von Daten zu verbessern und „wasserdicht“ zu machen. Die großen Diskrepanzen in den Altersangaben datierten übrigens aus 2015, als die Behörden mit dem Zustrom an Flüchtlingen überfordert waren. „Jetzt werden wir von Tag zu Tag besser“, sagte Lucha.

Gespräche mit dem Innenministerium laufen

Es liefen intensive Gespräche seines Ressorts mit dem Innenminister darüber, „wie wir die Altersfeststellung besser organisieren“, man werde noch vor den Pfingstferien einen gemeinsamen Vorschlag präsentieren. Die Frage, ob künftig nicht mehr die Jugendämter sondern nur die Ausländerämter – die beispielsweise Röntgenuntersuchungen anordnen können – für die Altersfeststellung zuständig sein sollen, beantwortete Lucha zweideutig: „Wir werden gemeinsam Verantwortung tragen.“

Ein Anliegen Luchas ist es, dass unbegleitete Flüchtlinge nicht stets im Zusammenhang mit „furchtbaren Verbrechen“ genannt werden. Die Zahl der sogenannten Uma ist in Baden-Württemberg von 7400 (Dezember 2017) auf derzeit 6800 gesunken – „und mehr als 90 Prozent dieser jungen Leute geben sich unheimlich Mühe, in der Schule voranzukommen und engagieren sich“, sagte Lucha. Begleitet von einer „befähigenden Jugendhilfe“ seien sie in der Normalität angekommen. So sei es für viele eine neue Erfahrung, dass die Polizei sie fair behandle, anders als in ihrer Heimat, wo sie prügelnde oder korrupte Beamten kennen. Auf den Fall Mannheim eingehend – „dort ist die Konfliktsituation nun gelöst“ – sagte Lucha auch: „Wer straffällig wird, wird sanktioniert. Daran gibt es nichts zu deuteln.“

In der Jugendwohngruppe schilderten sechs junge Leute aus dem Irak, Afghanistan und Somalia in gutem Deutsch ihre Bildungsziele – und erklärten unisono ihre „Liebe“ zu Leonberg: Das sei eine „tolle Stadt“. Einer strebt eine Lehre als Krankenpfleger an, ein anderer will Stuckateur werden, ein dritter macht den Hauptschulabschluss. Zwei aus der Gruppe der Uma besuchen das Gymnasium. Der angehende Krankenpfleger erklärte, er wolle eines Tages nach Afghanistan heimkehren, wenn es dort wieder Sicherheit geben: „Ich möchte auch etwas zurückgeben.“ Ob er die zugesagte Lehre überhaupt antreten kann, ist aber fraglich. Ein Verwaltungsgericht entscheidet zuvor über seinen Asylantrag.

„Wohnraum, Beschäftigung und der Stand ihres Asylverfahrens – das interessiert unsere Jugendlichen brennend“, sagte der Waldhaus-Geschäftsführer Hans Artschwager. Der Leonberger Polizeioberkommissar Andreas Maier betonte: „Nach anfänglichen Schwierigkeiten hat sich das hier mit den Uma in Leonberg gut eingespielt. Die sind nicht auffälliger als andere Jugendliche in ihrem Alter.“