Muhterem Aras zeigt gegenüber Antisemitismus eine klare Kante Foto: dpa

„Juden treiben Flüchtlinge nach Europa“ – solche Verschwörungstheorien geistern seit geraumer Zeit durchs Netz. Auch wenn in Baden-Württemberg die Zahlen von antisemitischen Straftaten nicht steigen, werden antisemitische Äußerungen salonfähiger, wie Muhterem Aras beklagt.

Stuttgart - „Bereits in alten Mythen werden Juden als schlau und verschwörerisch dargestellt“, sagte Michael Blume, der Beauftragte der Landesregierung gegen Antisemitismus, bei einer Veranstaltung zum Thema „Antisemitismus und Rassismus in Baden-Württemberg heute“ im Haus der Katholischen Kirche in Stuttgart. Antisemitismus gehe daher häufig mit einem generellen Misstrauen gegenüber der Politik, der Justiz oder sogar einer Weltverschwörung einher. Die Veranstaltung war eine Kooperation zwischen dem Landtag von Baden-Württemberg und dem Haus der Katholischen Kirche. Mit Blume diskutierten die Landtagspräsidentin Muhterem Aras und Barbara Traub, Vorstandsvorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg.

Nicht nur an Attentaten wie das auf eine Synagoge in Pittsburgh bemerkt man einen ansteigenden Antisemitismus. Es gibt auch Veränderungen im ganz normalen Alltag. „Schüler haben häufiger Angst am jüdischen Unterricht teilzunehmen“, sagte Barbara Traub. Sie würden ihren Glauben aus Angst vor Mobbing nicht nach außen zu zeigen wollen. „Jude ist auf dem Pausenhof ein Schimpfwort geworden und steht für Opfer. Wir müssen gegen diese Tendenzen ankämpfen. “

„Unsere Aufgabe ist es, eine lebendige Erinnerungskultur wachzuhalten“, betonte Aras. Diese müsse jedoch nachgestaltet werden. „Wir haben immer weniger Zeitzeugen und müssen die Emotionalität anders vermitteln. Die Schüler müssen lernen, wohin der Rassismus geführt hat.“ Auch wenn die Vorfahren vieler Schüler, wenn diese etwa aus einem anderen Land stammen, nichts mit dem NS-Regime zu tun gehabt haben, sei das wichtig. „Wir haben die Verantwortung für das, was in der Zukunft passiert“, sagte die Landtagspräsidentin. „Man muss zeigen, wo die rote Linie überschritten wird. Ich mache keinen Unterschied darin, aus welcher Ecke der Antisemitismus kommt.“

Antisemitismus nicht nur aus der Nazi-Ecke

Traub berichtete von einer Verunsicherung in der deutschen Bevölkerung. „Vor zehn Jahren waren wir euphorisch wegen des Pluralismus. Vielen Leuten, etwa in Ostdeutschland, ist es aber seitdem nicht besser gegangen. Ihre Ängste wurden übersehen“, gab sie zu bedenken. Fremdenfeindliche Diskussionen seien salonfähiger geworden, sagte die Landtagspräsidentin Muhterem Aras. „Die Grenzen haben sich verschoben.“ Auch im Landtag sei der Ton deutlich rauer geworden. „Es gibt Abgeordnete, die die demokratische Institution verächtlichen.“ In der aktuellen Regierungsperiode habe es mehrere Ordnungsrufe und sogar einen Ausschluss aus der Sitzung geben.

Wachsender Antisemitismus sei auch ein Problem in der arabischen Welt, sagte Blume. Flüchtlinge würden diesen nicht einfach an den Grenzen zurücklassen. „Viele muslimische Gemeinden in Deutschland sind zurückgefallen. Gebildete Mitglieder ziehen sich still zurück“, merkte er zudem an. Prof. Barbara Traub hob hervor, dass andererseits auch der Dialog zwischen den Religionen etwa mit gegenseitigen Besuchen gepflegt würde. Michael Blume nahm in Bezug auf den wachsenden Antisemitismus insbesondere auch die sozialen Medien in die Kritik. „Im Internet peitscht man sich gegenseitig hoch.“ Auf der anderen Seite würde der Wiederstand stärker. „Immer mehr trauen sich, antisemitische Angriffe anzuzeigen.“