Während dem Vortrag wurde von Weizsäcker auch mal laut und emotional. Foto: Jürgen Bach

Ernst Ulrich von Weizsäcker diskutierte in Bietigheim-Bissingen mit Schülern über die Klimakrise. Lösungen für ihre Fragen hat auch er nicht immer parat.

Eigentlich könnte Ernst Ulrich von Weizsäcker das alles völlig egal sein. Wenn er den Schülern des Beruflichen Schulzentrums Bietigheim-Bissingen auf einer Karte zeigt, dass die Küstenregionen Italiens bis zum Ende des Jahrhunderts vollständig unter Wasser stehen könnten, betrifft den 83-Jährigen das selbst wenig, denn er wird das mit Sicherheit nicht mehr miterleben. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – wird der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete noch im hohen Alter nicht müde, auf die Auswirkungen der Klimakrise aufmerksam zu machen. Zum Beispiel in seinem Buch „So reicht das nicht!“ aus dem vergangenen Jahr, das er am Mittwoch im Schulzentrum vorstellt.

Rund 60 Schülerinnen und Schüler aus den Klassen zehn bis zwölf sind da, absichtlich nur so wenige, erklärt Schulleiter Stefan Ranzinger: „Hier sitzen nur diejenigen, die glaubhaft Interesse am Thema gezeigt haben.“ Das ist vielleicht ein eigenwilliger Ansatz, er sorgt aber für eine konzentrierte Atmosphäre. Während von Weizsäckers etwa einstündigem Vortrag tuschelt niemand, alle hören aufmerksam zu. Selbst in den Momenten, in denen er laut wird, auch mal mit dem Zeigefinger energisch auf seinen Tisch klopft, gibt es kein Gekicher, seine Worte hinterlassen Eindruck. „Man merkt, wie viel Ahnung er vom Thema hat. Und es ist krass, wie emotional er darüber spricht“, sagt eine Schülerin hinterher.

„Lasst euch das nicht gefallen“

Von Weizsäcker gibt sich viel Mühe, die Schüler niederschwellig abzuholen, direkt zu ihnen zu sprechen. Wenn er etwa davon erzählt, dass seine Generation die Kosten des Klimawandels nur auf die kommenden Generationen ablade, fügt er ein „Das lasst ihr euch hoffentlich nicht gefallen“ an. Auch die Forderungen seines Buches, die sich vor allem im Bereich einer neuen Klima-Außenpolitik und unter dem Stichwort der „Neuen Aufklärung“ bewegen, stellt er so einfach wie eben möglich vor.

Aber auch die Schüler zeigen, dass sie den Ernst der Lage verstanden haben, dass sie vorbereitet sind und sich Antworten auf ihre Fragen erhoffen. Am vergangenen Freitag hat Schulleiter Ranzinger ihnen in der großen Pause eine Einführung gegeben, er wollte dort Impulse setzen. Gemeinsam haben sie Fragen vorbereitet. Im Gespräch mit von Weizsäcker gehen die Fragen dann aber in ganz andere Richtungen. „Allein das zeigt ja, dass den Schülern das Thema wichtig ist und sie sich auch eigene Gedanken darüber machen“, findet Ranzinger. Nur: So richtig konkrete Lösungen kann Umweltwissenschaftler von Weizsäcker den Fragen der Schüler häufig nicht entgegensetzen, was auch er selbst bedauert.

„Wer nichts hat, wird nicht genügsam sein“

Als der Wissenschaftler etwa darauf verweist, wie wichtig Genügsamkeit im Umgang mit Ressourcen sei, hält ihm ein Schüler entgegen, dass das global gesehen doch oft schwierig sei: „Wer nichts hat, wird nicht genügsam sein.“ Von Weizsäcker muss ihm „leider Recht geben“, eine bequeme Antwort habe er darauf nicht. Vor allem hoffe er auf Moral und Anstand der Menschen, Werte die es auch heute noch gebe.

So setzt der Referent in erster Linie auf Appelle, die er den Schülern mitgeben will. „Ich traue euch zu, moralisch zu denken“, ist einer davon. Wie wichtig eine „Zivilisation der Balance“ sei, die nicht nur im Gehirn, sondern auch im Herzen ihren Verstand beweist und danach handelt. Und, vielleicht der eindrücklichste der ganzen Veranstaltung: „Es ist eine der wichtigsten Aufgaben eurer Generation, gnadenlos zu kritisieren, was unsere Generation verbockt hat.“