Paul Russmann, Kai Müller, Philipp von dem Knesenbeck und Rainer Bühling (v. li.) Foto: Ott

Experten unterhalten sich darüber, ob sich Frieden mit der Waffe stiften lässt und ob die Abwesenheit von Krieg schon mit dem Frieden gleichzusetzen ist.

Möhringen - Bei einer solchen Frage kommt selbst die Kirche in Erklärungsnöte. Gibt es so etwas wie einen gerechten Krieg? Dietrich Bonhoeffer, Theologe, Pazifist, Gegner des Dritten Reichs, hingerichtet in den letzten Kriegstagen 1945, formulierte es einmal so: Wenn ein Wahnsinniger mit einem Auto Menschen umfährt, soll der Pastor dann nur die Toten beerdigen oder soll er den Fahrer vom Steuer reißen? „Vor Augen stehen uns weltweite Akte des Terrors“, sagte der Pfarrer Wolfgang Maier-Revoredo bei einer Podiumsdiskussion am vergangenen Donnerstag. „Kirchen sind dem Frieden und der Gewaltfreiheit verpflichtet“, sagte er. Das sollte auch für Deutschland gelten. Aber „wegschauen scheint keine Lösung zu sein“.

Entsprechend spannend war das Gespräch, das sich im Gemeindezentrum der Martinskirche entwickelte. Was daran gelegen haben dürfte, dass die Diskussionsgäste sorgfältig ausgesucht worden waren. Da war Paul Russmann, der Geschäftsführer des Vereins Ohne Rüstung Leben. Passenderweise saß er auf der linken Seite, während auf der rechten Seite Rainer Bühling Platz nahm, seines Zeichens Kapitänleutnant der Bundeswehr und als Jugendoffizier oft an Schulen unterwegs, um Jugendlichen deutsche Sicherheitspolitik zu erklären. Und in der Mitte saß neben dem Moderator Kai Müller von der Stuttgarter Zeitung der Politologe Philipp von dem Knesenbeck, der zwar seinerzeit den Kriegsdienst verweigert hatte, dessen zynischer Realismus den Besuchern trotzdem regelmäßig das Erstaunen ins Gesicht trieb.

Natürlich geht es um Bildung und Wohlstand

Eine Kostprobe: Russmann erkannte als Ursache für die globalen Konflikte wahlweise die Einmischung des Westens, die Rüstungsindustrie oder den Unwillen zu teilen. „Wollen wir einige Wohlstandsinseln, die sich abschotten?“, fragte er mit Blick auf eine EU, die versucht, mit viel Geld Flüchtlinge am Kommen zu hindern, statt die Ursprungsländer am eigenen Wohlstand teilhaben zu lassen. Seine Lösung: Das Militär abschaffen, denn sein einziger Zweck sei, andere zu besiegen.

Eine Sicht, die Bühling nicht teilen konnte. „Alle in Ruhe lassen und schauen, dass die das alleine regeln, ist aus Sicht des sicheren Deutschlands ziemlich arrogant“, sagte er. Natürlich gehe es um Bildung und Wohlstand. Aber wenn man nicht mal sicher zur Schule gehen könne und fürchten müsse, dass Mädchen zu Hunderten aus den Klassenzimmern entführt würden, könne sich auch nichts entwickeln. „Das können wir uns gar nicht vorstellen. Wir steigen halt morgens in den Schulbus.“

Provokation mit logischen Schlussfolgerungen

Von dem Knesenbeck wiederum, der es offensichtlich genoss, mit seinen logischen Schlussfolgerungen zu provozieren, nahm die Russen in Schutz, die derzeit massiv in Syrien intervenieren. „Wenn wir Frieden als Abwesenheit von Krieg definieren, dann müssen wir in Syrien den Stärksten unterstützen, damit er gewinnt.“ In Frage kämen nur das Assad-Regime oder der IS. Weil man mit dem IS aber nicht verhandeln könne, „sollten wir den Russen dankbar sein“.