Baubürgermeister Benjamin Dihm und Oberbürgermeister Otto Ruppaner (von links) erläutern den Stadträten das Modell. Foto: Philipp Braitinger

Gegen den Bau einer Energiezentrale im historischen Ortskern regt sich Widerstand. Stadt und Gemeinderat wollen dennoch an den Plänen festhalten.

Eigentlich schien bereits alles in trockenen Tüchern zu sein. Doch nun macht eine Bürgerinitiative überraschend mobil gegen die Pläne für den Bau einer Energiezentrale in der historischen Mitte von Echterdingen. Die Stadtverwaltung möchte an ihren Plänen festhalten und hat dafür offenbar eine breite Mehrheit des Gemeinderates hinter sich, wie sich am Dienstagabend während einer Sitzung des Technischen Ausschusses zeigte. Mit nur einer Gegenstimme von Wolfgang Haug (FDP) wurde der Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan vorberatend für den Gemeinderat am kommenden Dienstagabend verabschiedet. Die Zeit drängt, auch weil die Zeppelinschule bereits Ende 2026 mit dem Anschluss an das Nahwärmenetz rechnet.

 

In der Nachbarschaft der zukünftigen Energiezentrale neben der Alten Schule in der historischen Ortsmitte von Echterdingen verursachen die Pläne tiefe Sorgenfalten. Anwohner haben sich schriftlich gegenüber der Stadtverwaltung geäußert. So wird die Kubatur der „wuchtigen Anlage mit einem hohen Kamin“ kritisiert. „Ich befürchte einen massiven Wertverlust meines Gebäudes“, schreibt ein Anwohner. Ein weiterer Nachbar erklärt: „Alle Anstrengungen, das Gebäude äußerlich harmonisch in das Gesamtbild einzugliedern, werden – denke ich – scheitern, allein schon wegen der Dimensionierung des Gebäudes.“

Auch das Thema Lärm treibt viele Menschen um. Die zulässigen Lärmwerte werden laut einem Gutachten jedoch unterschritten, wie der Stellvertretende Leiter der Abteilung Stadt- und Bauleitplanung, Benjamin Irschik, im Ausschuss erklärte. Tagsüber wären 55, nachts 40 Dezibel erlaubt. Die Anlage erzeuge tagsüber 30 bis 37, nachts 29 bis 32 Dezibel, so der Rathausmitarbeiter.

Die Optik scheint manchen Nachbarn ein Dorn im Auge zu sein. Mit einer Fristhöhe von elf Metern plus fünf Meter Schornstein sei das Gebäude so hoch wie andere Gebäude in der näheren Umgebung, betont die Stadt. Und ob das Gebäude nun als besonders störend betrachtet werde, liege wohl auch im Auge des Betrachters, meinte der Oberbürgermeister Otto Ruppaner. Vom Marktplatz aus sei die Energiezentrale jedenfalls gar nicht zu sehen, weil sie hinter dem Alten Schulhaus verschwinde. Zur Verdeutlichung der räumlichen Verhältnisse präsentierte die Stadtverwaltung den Stadträten ein Modell der Echterdinger Ortsmitte.

Der Standort wird ebenfalls von manchen Anwohnern kritisch gesehen. Doch gerade die Standortfrage wurde ausgiebig kommunalpolitisch diskutiert. Aus Sicht der Planer hätte ein Standort weiter im Süden des zukünftigen Stadtgartens erhebliche Nachteile, weil er beispielsweise den Zugang zum Stadtgarten stören würde. An der nun geplanten Stelle könne die Energiezentrale dagegen zusammen mit der Alten Schule einen Platz am Eingang zum zukünftigen Stadtgarten erzeugen.

Der Bau der Energiezentrale wurde im vergangenen Herbst beschlossen, um die Stadt ihrem Ziel der Klimaneutralität bis 2040 einen Schritt näher zu bringen. „Es geht darum, eine klimaneutrale Energieversorgung in der historischen Mitte zu bekommen“, stellte der Rathausmitarbeiter Irschik klar. Die Energiezentrale ermöglicht den Nachbarn den Anschluss an ein klimaneutrales Nahwärmenetz. Der Leiter der Stadtwerke, Peter Friedrich, schätzt, dass neben den öffentlichen Gebäuden in der Ortsmitte rund 45 Privathäuser angeschlossen werden können. Im Technischen Ausschuss fielen die Pläne auf breite Zustimmung. In vielen anderen Wohngebieten wären die Anwohner froh um dieses Angebot, meinte der Grünen-Stadtrat Martin Klein. Immerhin ist der Anschluss an ein Nahwärmenetz eine Möglichkeit, klimaneutrale Energie zu beziehen ohne selbst technische Anlagen kaufen, einbauen, betreiben und warten zu müssen.

Reaktion der Politik

Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, sei die Stadt eben auch Zwängen unterworfen, meinte Jürgen Kemmner (LE Bürger). Eine Stadt verändere sich immer wieder. „Leinfelden-Echterdingen ist nicht mehr das Dorf von 1950“, verdeutlichte er. Der Stadtrat Walter Vohl (Freie Wähler) wies auf die umfangreiche Planungsgeschichte des Projekts seit dem Jahr 2019 hin. „Wir haben es uns lange und reiflich überlegt“, erinnerte er. Gleichwohl könne die genaue Gestaltung des Gebäudes immer noch unter die Lupe genommen und gegebenenfalls verbessert werden.

Holzfassade soll optischen Anschluss schaffen

Kritik
Die Gestalter haben sich bemüht, die Energiezentrale optisch in das Ensemble der Ortsmitte zu integrieren. So wird das Haus beispielsweise gemäß den aktuellen Plänen eine Holzfassade erhalten. Architektonisch soll das Gebäude an eine Scheuer erinnern, was sich im Namen „Energiescheuer“ niederschlägt. Die Pläne wurden seit Jahren immer wieder öffentlich beraten und diskutiert. Im vergangenen Herbst fasste der Gemeinderat schließlich den Entschluss, die Energiezentrale in der Ortsmitte zu bauen. Kurz darauf gründete sich eine Bürgerinitiative, die die Pläne kritisiert und Unterschriften gegen das Vorhaben sammelt.

Politik
Nach dem klaren Votum des Technischen Ausschusses deutet vieles darauf hin, dass auch der Gemeinderat in seiner nächsten Sitzung am kommenden Dienstag den Weg frei für den Bau der Energiezentrale macht.