Im Höhenpark Killesberg: Josef Zeitlers, Hirschkuh mit Jungem, 1939 (Nachbildung) Foto: © MSESES, CC BY-SA 3.0

Wohlwollend schaut die junge Frau auf ihre Gänseschar. Sind aber Fritz Nuss’ „Gänseliesel“ oder Josef Zeitlers „Hirschkuh mit Jungem“ Nazi-Kunst? Am 29. November soll es im Kunstmuseum Stuttgart Antworten geben.

Nationalsozialistische Propaganda, dies macht die aktuelle Ausstellung „Grafik für die Diktatur“ im Kunstmuseum Stuttgart deutlich, braucht keine Heroen, die siegessicher in die deutsche Zukunft schauen. Mindestens so wirksam erschien den Statthaltern der Diktatur der sorgsam erfundene schöne Schein. Gemeinsame Handarbeit etwa in einer auch in Württemberg doch zu Beginn der 1930er Jahre längst industrialisierten Landwirtschaft. Mehr noch wird die Botschaft des Sicherheit vorspiegelnden vorgeblich Vertrauten zur Kernaussage in offiziellen plastischen Arbeiten jener Jahre.

 

Hält die Sehnsucht nach solch vordergründig lieblichen und Vergnügen bereitenden Szenerien nicht aber bis deutlich in die 1950er Jahre an? Und arbeiten nicht – wie etwa Fritz Nuss und Fritz von Graevenitz – die gleichen Künstler für die Hitler-Diktatur wie für die junge Bundesrepublik? Bewundern wir damit also noch heute Nazi-Kunst in unseren Straßen und auf unseren Plätzen? Und wenn dies so ist, wie kann und soll man mit diesen Werken heute umgehen? Dies ist das Thema des Diskussionstages „,Rechte Kunst’ im öffentlichen Raum der Stadt“ am 29. November von 14 bis 19 Uhr im Kunstmuseum Stuttgart. Es geht um Künstlernamen wie Jakob Wilhelm Fehrle, Fritz von Graevenitz, Peter Otto Heim, Fritz Nuss, Daniel Stocker oder Josef Zeitler, es geht um Arbeiten, wie etwa auch die „Gänseliesel“ – heute vor dem Dienstleistungszentrum des Klinikums Stuttgart in der Sattlerstraße 2 –, die uns längst als Teil des unverbrüchlichen Stadtbildes erscheinen.

Im Patientengarten des Bosch-Krankenhauses: Fritz von Graevenitz, Aufstehendes Pferd, 1934 Foto: © PJT56, CC BY-SA 4.0

Können diese Kunstwerke im öffentlichen Raum stehen bleiben? Darf, kann und muss man sie vor Ort kommentieren? Wie viele solcher Werke mit NS-Bezügen gibt es überhaupt in Stuttgart? Über diese und andere Fragen sprechen der Provenienzforscher Kai Artinger, der die Schau „Grafik für die Diktatur“ erarbeitet hat, der Autor Dietrich Heißenbüttel, der unter anderem zum Widerstand von Künstlerinnen und Künstlern gegen die Nazi-Diktatur forscht, und andere. Grußworte kommen von Baden-Württembergs Kunststaatssekretär Arne Braun (Grüne) und Stuttgarts Kulturamtsleiter Marc Gegenfurtner.

Stiftung Geißstraße 7 ist Mitveranstalter

Mitveranstalter der Tagung „,Rechte Kunst’ im öffentlichen Raum der Stadt“ ist die Stiftung Geißstraße 7. „Die Stiftung Geißstraße“, heißt es vorab offiziell dazu, „befasst sich seit drei Jahrzehnten kritisch mit der Stadtgeschichte durch erinnerungspolitische Projekte und Veranstaltungen“. Und: „Parallel zur Ausstellung im Kunstmuseum Stuttgart lädt sie dazu ein, über den praktischen Umgang mit diesem Erbe zu sprechen.“

Einen prägnanten Auftakt verspricht nach der Eröffnung und Begrüßung um 14 Uhr bereits der Vortrag von Kai Artinger um 14.30 Uhr: „Vergessen schmückt, Erinnern stört. Vier Plastiken als Beispiel kollektiver Amnesie“. Wer dabei sein möchte: Um eine Anmeldung per Mail – stiftung@geissstrasse.de oder unter fuehrung@kunstmuseum-stuttgart.de – wird gebeten.