Norbert Blüm (links) und Peter Henkel – Gegner in Glaubensfragen Foto: Ina Schäfer

Der frühere Arbeitsminister Norbert Blüm und der Politikjournalist Peter Henkel haben im Humanistischen Zentrum über die Frage gestritten, ob Gott existiert. Eine Antwort haben sie nicht gefunden.

S-Süd - Liebe Gläubige, verehrte Ungläubige“, mit dieser Anrede beginnt Peter Henkel sein kurzes Vorwort im Humanistischen Zentrum im Stuttgarter Süden. Kurz darauf tritt Norbert Blüm ans Pult, ein vehementer Vertreter der ersten Kategorie. An diesem Sonntagnachmittag treffen der politische Journalist Henkel, seinerzeit Korrespondent bei der Frankfurter Rundschau, und der ehemalige Arbeits- und Sozialminister Blüm aufeinander, um über Gott zu sprechen, vielmehr: über seine Existenz zu streiten. Das Aufeinandertreffen kommt nicht von ungefähr, zusammen haben sie ein Buch veröffentlicht mit dem Titel „Streit über Gott. Ein Gespräch unter Gegnern.“ Sieben Monate lang haben sie sich zwanzig Briefe geschrieben und über eine uralte Frage leidenschaftlich, dabei nicht ohne Witz, diskutiert: Gibt es einen Beweis für die Existenz Gottes?

Darum wird es auch heute gehen: um Norbert Blüm, den engagierten Christen, der neben Germanistik und Geschichte auch Theologie studiert hat (unter anderem unter Joseph Ratzinger), und Peter Henkel, der aus „intellektueller Redlichkeit“ überzeugter Atheist und Autor verschiedener religionskritischer Schriften ist. Immerhin in einem sind sie sich einig: dass man darüber sprechen muss. Bevor es los geht, beschreibt Peter Henkel das Folgende so: „Ein temperamentvoller Rheinländer im Disput mit einem phlegmatischen Westfalen in der Höhle des humanistischen gottlosen Löwen.“

Der Zivilisationsbruch Auschwitz

Tatsächlich erntet Henkel einigen Szenenapplaus, während Blüm mit seinen Ausführungen über Gott weniger Anklang findet. Vor allem, wenn es um die konkrete Frage nach dem Beweis für dessen Existenz geht. „Es gibt doch die Erwartung, dass sich der Gottglaube mit dem Fortschritt der Vernunft irgendwann erledigt hat – bis heute hat sich das nicht erwiesen und so wird es auch bleiben“, sagt Blüm. Für ihn stehe fest, dass es „eine Ursache für die Welt geben muss, die größer ist als ihre Folgen“, einen Erstverursacher, also einen Gott. „Aber das ist mein Glaube, den ich auch heute wieder nicht beweisen kann.“

„Selbstverständlich komme ich jetzt mit Auschwitz“, sagt Henkel und stellt Norbert Blüm vor die schwierigste Frage: Wie kann es Gott geben, wenn es Auschwitz gibt? „Eine unvollkommene Schöpfung kann keinen vollkommenen Schöpfer haben. Es spricht herzlich wenig für Gott“, sagt Henkel. Die Frage, die Theologen schon seit jeher bewegt, versucht Blüm so zu beantworten: „Gott hat uns zur Freiheit geschaffen. Das fängt mit dem Apfel im Paradies an. Das Übel ist nicht durch ihn sondern durch die Menschen verursacht.“

Eine respektvolle Auseinandersetzung zweier Kontrahenten

Am Ende kommen die beiden Gegner doch noch auf einen gemeinsamen Nenner – wenn es darum geht, was der Glaube erschaffen kann. „Die Religion ist eine existenzerhaltende Kraft. Ohne Glauben keine Kunst, ohne Glauben kein Bach. Der Glaube hat der Welt viel gebracht“, sagt Blüm. Henkel stimmt zu: „Ich nenne die Religion immer einen hochproduktiven Irrtum. Ein Blick in die Kulturgeschichte zeigt, dass sie auf jedweden Feldern Menschen dazu gebracht hat, Unglaubliches zu vollbringen. Aber auch das beantwortet den Wahrheitsgehalt nicht.“ Die Frage bleibt wieder einmal und wohl für alle Zeit unbeantwortet. Doch hat der Glaube – oder Nicht-Glaube – zumindest etwas hervorgebracht: eine allen Widersprüchen zum Trotz respektvolle Auseinandersetzung zweier Kontrahenten.