In kaum einem Industriestaat werden Frauen stärker diskriminiert als in Südkorea. Nun soll auch noch das Ministerium für Geschlechtergleichstellung abgeschafft werden.
Dass Yoon Suk-yeol seine Versprechen nicht hält, kann man ihm kaum vorwerfen. Nachdem er in einem polemisch geführten Wahlkampf angekündigt hatte, Südkoreas Atomausstieg rückabzuwickeln, besuchte er bald nach seinem Amtsantritt einige Kraftwerke und lobte deren Zukunftsfähigkeit. Gegenüber Nordkorea geht er wie angekündigt mit Zuckerbrot und Peitsche vor: Yoon nutzt eine Mischung aus Kampfansagen und Friedensangeboten, sofern der verfeindete Staat nördlich der Grenze sein Atomwaffenprogramm einstelle.
Dieser Tage lässt Südkoreas Präsident mit einem weiteren Schritt aufhorchen, den er schon im Wahlkampf versprochen hatte: Die Abschaffung des Ministeriums für Geschlechtergleichstellung und Familie. Ende vergangener Woche erklärte Yoon, dem der Ruf eines Frauenfeinds vorauseilt, dass er das 2001 von seinen politischen Gegnern gegründete Ministerium einstampfen werde. „Die Abschaffung des Genderministeriums soll dem Schutz von Frauen, Familien, Kindern und den sozial Schwachen dienen“, behauptete Moon diese Tage.
Vor allem auf dem Arbeitsmarkt besteht deutliche Ungleichheit
Von außen betrachtet ist der Schritt überraschend. International fällt Südkorea immer wieder durch die starke Diskriminierung von Frauen auf. Im jährlich vom Weltwirtschaftsforum publizierten Gender Gap Report, der die Gleichstellung nach Geschlecht in den Bereichen Arbeitsmarkt, Politik, Bildung und Gesundheit vergleicht, landet Südkorea regelmäßig weit hinten. 2022 war es Rang 99 von 146 Ländern und damit einer der niedrigsten Platzierungen unter den Industriestaaten. Vor allem auf dem Arbeitsmarkt besteht deutliche Ungleichheit. Frauen sind zwar kaum schlechter ausgebildet als Männer, finden sich aber wesentlich häufiger in prekären Arbeitsverhältnissen wieder. Der Gender Pay Gap von mehr als 30 Prozent ist der höchste unter den Industriestaaten. Deswegen, aber auch wegen wiederholter Fälle sexuellen Missbrauchs und Morden an Frauen, herrscht ein Konflikt im Land, der oft als „Geschlechterkrieg“ bezeichnet wird.
„Dieser Begriff hilft überhaupt nicht“, warnt Lee Na-young, Professorin für Gender Studies an der Chung-Ang Universität in Seoul und eine der profiliertesten Feministinnen Südkoreas. Wobei auch sie davon berichtet, wie tief die Gräben sind. Zu Demonstrationen für Geschlechtergleichbehandlung gingen fast nur Frauen. Männer beschwerten sich eher über ihre Probleme: Der insgesamt prekärer werdende Arbeitsmarkt, die Militärpflicht für Männer von rund 20 Monaten. Viele Männer fühlten sich von Feministinnen unverstanden, und umgekehrt. „Die Lage ist sehr kompliziert“, betont Lee.
Mehrmals hat Yoon den Eindruck vermittelt, das Ministerium habe mehr Schlechtes als Gutes getan
Zu den politischen Profiteuren solcher Entwicklungen gehört Yoon Seuk-yol. Im März dieses Jahres wurde der Konservative mit hauchdünnem Vorsprung vor seinem liberalen Gegner Lee Jae-myung zu Südkoreas Präsidenten gewählt. Im Kampf um Stimmen hatte Yoon intensiv und letztlich erfolgreich um die Gunst von „Anti-Feministen“ geworben. Zentrales Argument war das Vorhaben, das Gleichstellungsministerium abzuschaffen, das in den Augen Yoons Männer als „potenzielle Sexverbrecher“ behandle.
Mehrmals hat Yoon unverblümt den Eindruck vermittelt, das Ministerium habe mehr Schlechtes als Gutes getan. Im Ministerium selbst sieht man dies anders, woran sich auch mit dem Amtsantritt von Yoon Seuk-yol im Mai wenig geändert hat. Lee Jung-hyun, Sprecherin des Ministeriums, ließ noch im Sommer auf Anfrage per Email wissen: „Das Ministerium für Geschlechtergleichstellung und Familie hat in verschiedenen politischen Bereichen wie Geschlechtergleichstellung, Familie sowie Rechte und Interessen von Frauen unabhängige Erfolge erzielt.“
Dazu gehöre die Reform des Zivilgesetzes 2005, womit das traditionelle Hojuje-System, nach dem in der Regel der Mann das Familienoberhaupt war, abgeschafft wurde. 2008 folgte ein Gesetz zur Förderung von Frauen, die für die Kindererziehung ihre Erwerbstätigkeit unterbrochen hatten. 2018 wurde eine Laufbahn für weibliche höhere Beamte eingeführt. Auch Unterstützungen für Alleinerziehende wurde unter Einfluss des Ministeriums zumindest etwas verbessert. Hinzu kam 2018 ein Gesetz zur Vorbeugung von sexuellem Missbrauch gegen Frauen.
Ohne Weiteres umsetzen lässt sich der Plan noch nicht
Insbesondere dieser letzte Schritt, der unter Yoons liberalem Amtsvorgänger Moon Jae-in initiiert wurde, ist dem nun regierenden Präsidenten offenbar ein Dorn im Auge. Wobei Yoon beteuert, dass er sich für das Wohl von Frauen und Familien einsetzen wolle. Nur brauche es dafür eben dieses Ministerium nicht. Die meisten Zuständigkeiten des Gleichstellungsministeriums sollen nach Vorstellung Yoons fortan dem Gesundheitsministerium übertragen werden.
Ohne Weiteres umsetzen lässt sich der Plan allerdings noch nicht. Im Parlament hat derzeit die von der liberalen Demokratischen Partei dominierte Opposition die Mehrheit, die Yoons Konservativer Partei nun hitzige Debatten abverlangen wird. Für den immer wieder populistisch auftretenden Yoon Suk-yeol aber ist die Sache längst zu einem Prestigeobjekt geworden, mit dem er denjenigen, denen er seinen Wahlsieg zu verdanken hat, ein Geschenk machen könnte. Womit der Begriff „Geschlechterkrieg“ auf absehbare Zeit kaum aus der Mode kommen wird.