Das schwul-lesbische Zentrum hat seine Räume für das muslimische Opferfest zur Verfügung gestellt – und fühlt sich von einem Moscheeverein diskriminiert Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

In der vergangenen Woche haben viele Muslime das Opferfest gefeiert. Auch Flüchtlinge in Stuttgart. Ein schwul-lesbisches Zentrum hat dafür unbürokratisch Räume zur Verfügung gestellt – und fühlt sich jetzt von einem Moscheeverein vor den Kopf gestoßen.

Stuttgart - Das Opferfest gilt als wichtigste islamische Feier. Auch hierzulande wird es von zahlreichen Muslimen begangen. Da sollten Asylbewerber keine Ausnahme bilden, dachten sich die ehrenamtlichen Helfer vom Flüchtlings-Freundeskreis Haus Martinus. In dem Caritas-Gebäude in der Olga-straße sind derzeit 440 Menschen untergebracht. Also gingen die Helfer auf die Suche nach passenden Räumlichkeiten für die Feier, die am Donnerstag vergangener Woche stattfinden sollte.

 

Das allerdings war nicht so einfach. „Wir haben an mehrere Moscheevereine kurzfristige Anfragen gestellt“, sagt Yannick Schulze vom Freundeskreis, der rund 30 regelmäßige Helfer zählt. Fündig geworden ist man jedoch nicht. „Wir haben auf jeden Fall etwas in der Nähe gebraucht, weil die Flüchtlinge noch nicht registriert waren und sich deshalb etwa eine Busfahrt schon rein versicherungstechnisch nicht machen ließ“, so Schulze. Über einige Ecken kam man schließlich an den Verein Weissenburg, den Träger des schwul-lesbischen Zentrums Stuttgart in der Weißenburgstraße. Der half spontan und stellte seine Räume für die Feier zur Verfügung.

Für die Flüchtlingshelfer eine gute Lösung. Rund 200 Leute seien zu dem Fest im Weissenburg-Zentrum gegangen, so Schulze: „Sie haben sich sehr gefreut.“ Zudem seien Vertreter mehrerer Moscheevereine ins Haus Martinus gekommen, um Süßigkeiten an die Kinder zu verteilen. Darunter sei auch der Stuttgarter Verein der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) gewesen, der in der Feuerbacher Mauserstraße die größte Moschee der Stadt betreibt. Dessen Imam wurde auch angefragt, ob er das Fest eröffnen wolle. Er sagte zu.

Imam sagt wenige Minuten vor dem geplanten Auftritt ab

Doch wenige Minuten vor dem geplanten Auftritt habe sich der muslimische Geistliche telefonisch beim Freundeskreis gemeldet und abgesagt, erzählt Joachim Stein. Die Begründung dafür empört den Vorstand des Weissenburg-Vereins zutiefst: „Er sagte, seine Moscheegemeinde habe ihm nicht gestattet, in unserem Zentrum das Fest zu eröffnen.“ Dabei sei es ausdrücklich nicht um die unterschiedlichen Glaubensrichtungen der anwesenden Flüchtlinge gegangen, sondern um die Tatsache, dass das Opferfest an einem „unreinen Ort“ stattfinde.

Für Stein und seine Mitstreiter ist der Vorgang ein Skandal. Es handle sich um eine diskriminierende Einstellung, „die in einer pluralen demokratischen Gesellschaft keinen Platz haben kann“. Auch die in Stuttgart lebenden Muslime müssten sich überlegen, in welcher Gesellschaft sie leben wollten und ob „Ausgrenzung anderer Minderheiten aus religiösen Gründen darin Platz haben kann“.

Beim Ditib-Verein in Feuerbach kann man sich den Vorfall nicht erklären. Der Vorsitzende befinde sich derzeit im Ausland, er selbst habe von der Geschichte nichts mitbekommen, sagt der Stellvertreter Bahattin Akyildiz. Und bekräftigt: „Ich kann mir das nicht vorstellen. Wir wären die Letzten, die so etwas absagen.“ Im Gegenteil helfe man, wo man könne. Vertreter des Vereins seien zum Beispiel auf Bitte des Integrationsministeriums schon dreimal zur Erstaufnahmestelle des Landes nach Meßstetten gefahren, um dort Geschenke zu verteilen.

„Religiöse Befindlichkeiten immer schwierig“

An offizieller Stelle hält man sich zurück. „Es geht um Menschen, die in Not sind. Da wäre es schon wünschenswert zu helfen“, sagt Levant Günes von der Abteilung Integration bei der Stadt Stuttgart. Allerdings seien „religiöse Befindlichkeiten immer sehr schwierig“. Ein Sprecher des Integrationsministeriums sagt lediglich, man kenne den Vorgang nicht und könne deshalb auch schwerlich etwas dazu sagen. Ob es solche Fälle häufiger gebe, sei nicht bekannt.

Der Verein Weissenburg hat seine eigenen Schlüsse gezogen. Er arbeitet mit der Türkischen Gemeinde in Baden-Württemberg an einem Modellprojekt. Es soll Handlungsanleitungen entwickeln, wie der Ausgrenzung sexueller Minderheiten im muslimischen Umfeld begegnet werden kann.