Sowohl Neukunden als auch Bestandskunden der ING sollen schon für Guthaben über 50 000 Euro ein Verwahrentgelt von 0,5 Prozent pro Jahr zahlen. Foto: dpa/Stephanie Lecocq

Jahrelang lockte die Direktbank ING mit relativ hohen Sparzinsen. Mittlerweile werden für Großsparer Minuszinsen fällig. Warum es schwierig wird, auf andere Institute auszuweichen.

Stuttgart - Die Direktbank ING verschärft ihre Gangart beim Negativzins: Künftig sollen sowohl Neukunden als auch Bestandskunden schon für Guthaben über 50 000 Euro ein Verwahrentgelt von 0,5 Prozent pro Jahr zahlen, wie das Institut am Montag in Frankfurt ankündigte.

Geschäftsbanken müssen aktuell 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken. Die Kosten dafür geben immer mehr Geldhäuser weiter. Zuletzt hatten mehrere Institute die Freibeträge für Kunden gesenkt.

EZB-Kosten werden weitergegeben

„Bisher haben wir die Kosten, die durch sinkendende Zinsmargen und den negativen Einlagenzins der EZB entstehen, durch unser bestehendes Produktportfolio weitgehend ausgleichen können“, erklärte Vorstandschef Nick Jue. Allerdings seien die Einlagen bei der ING Deutschland weiter gestiegen, auch weil viele Wettbewerber bereits Negativzinsen eingeführt haben. „Nach sorgfältiger Überlegung haben wir uns daher entschlossen, den Negativzins der EZB in Form eines Verwahrentgelts von derzeit 0,5 Prozent für Guthaben über 50 000 Euro an unsere Kundinnen und Kunden weiterzugeben.“

Für alle ab 6. Juli eröffneten Konten

Für Neukunden halbiert das Institut damit den seit November 2020 geltenden Freibetrag. Die neuen Konditionen gelten vom 1. November 2021 an für alle ab dem 6. Juli neu eröffneten Giro- und Tagesgeldkonten. Zusätzlich will die Bank ab Juli die etwa 750 000 ihrer neun Millionen Bestandskunden anschreiben, die mehr als 50 000 Euro auf ihrem Giro- oder Tagesgeldkonto haben, und diese bitten, der Einführung des Verwahrentgelts zuzustimmen. Ziel sei, keine Kunden zu verlieren, betonte ein Sprecher. Die Bank sei zuversichtlich, im Dialog eine mögliche Kündigung von Konten vermeiden zu können.

Kundeneinlagen kosten im Dauerzinstief Geld

Jahrelang lockte die Direktbank unter dem Namen ING-Diba mit relativ hohen Sparzinsen. Doch Einlagen kosten im Dauerzinstief Geld. Darum bemüht sich das Institut, das seit November 2018 nur noch unter dem Namen des niederländischen Mutterkonzerns ING auftritt, um mehr Hausbankkunden. Heißt: Idealerweise parken Kunden nicht nur Geld, sondern sorgen über Baufinanzierung, Verbraucherkredite oder Wertpapiersparen außerdem für Provisionseinnahmen.

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BW-Bank verschärft ebenfalls Konditionen

ING tut es mit der Erhebung von Negativzinsen anderen Instituten wie der BW-Bank gleich. Die Tochter der Landesbank Baden-Württemberg weitet wie berichtet die Erhebung von Negativzinsen auf eine größere Zahl an Bestandskunden aus. Entgegen der ursprünglichen Ankündigung, nur Bestandskunden mit rund einer Million an Einlagen mit Minuszinsen zu belangen, werden diese nun auch anderen Kontoinhabern angedroht. Kunden wurde Ende Mai ein Schreiben zugeschickt, in dem die Bank zur Unterzeichnung einer „Vereinbarung über Verwahrentgelte“ aufgefordert. Fällig würden die Minuszinsen in Höhe von 0,5 Prozent per annum ab einem Guthaben von 100 000 Euro auf dem Girokonto. Die BW-Bank hatte im Februar Negativzinsen für Neukunden mit Guthaben über 100 000 Euro eingeführt. Gleichzeitig kündigte sie an, Bestandskunden mit Einlagen von insgesamt einer Million Euro individuell zu kontaktieren. Sofern diese nicht bereit seien, Gelder in andere Anlageformen umzuschichten, drohten auch ihnen Minuszinsen ab dem 100 001 Euro. Die BW-Bank spreche „ausgewählte Bestandskunden mit hohen Barvermögen in den nächsten Monaten aktiv auf alternative Anlagelösungen beziehungsweise eine individuelle Regelung zum Verwahrentgelt an“, wie die Bank Anfang Juni auf Anfrage sagte. Der Freibetrag von 100 000 Euro bleibe unverändert. Die Volksbank Stuttgart nimmt ebenfalls Negativzinsen von Neukunden.

Ausweichen wird schwieriger

Viele Banken und Sparkassen verlangen von Neukunden schon Minuszinsen auf Guthaben von 50 000 Euro oder weniger. Bei der Postbank beispielsweise gilt diese Grenze für alle seit 21. Juni eröffneten Girokonten, für neue Tagesgeldkonten wurde der Freibetrag sogar auf 25 000 Euro beschränkt. Auch bei der Commerzbank müssen Neukunden ab August oberhalb eines Freibetrags von 50 000 Euro Minuszinsen berappen.

Verbraucherschützer wollen Zulässigkeit klären lassen

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) will gerichtlich klären lassen, ob Negativzinsen zulässig sind. In der Vergangenheit gab es dazu verschiedene Urteile. Mit Klagen gegen fünf nicht genannte Banken will der VZBV nun eine „grundsätzliche Klärung“ herbeiführen. Die Verbraucherschützer argumentieren unter anderem, dass auf viele Girokonten bereits eine Kontogebühr fällig wird.