Dioxin: Bauernpräsident Sonnleitner fordert harte Maßnahmen gegen Betrug.

Stuttgart - Am Donnerstag beginnt in Berlin die Grüne Woche, die als Leistungsschau der Landwirtschaft gilt. Gerd Sonnleitner, der Präsident des Deutschen Bauernverbands, über den Ärger der Landwirte und über die schwarzen Schafe im Agrargeschäft.

Herr Sonnleitner, wird die Grüne Woche dieses Jahr zur Dioxinwoche?

Die Aufarbeitung des Dioxinfalls muss natürlich Thema sein. Man muss in diesem Zusammenhang aber auch betonen, dass die deutsche Landwirtschaft sicher und verantwortungsbewusst produziert. Bei den derzeitigen Entwicklungen sind wir nicht die Täter, sondern die Leidtragenden. Dennoch müssen alle Schlupflöcher, die zu Betrug führen können, jetzt konsequent dichtgemacht werden.

Viele Bürger fragen sich, ob der jetzt bekanntgewordene Skandal ein Einzelfall ist. Tut die deutsche Agrarwirtschaft für Profit alles?

Wegen der Verfehlungen Einzelner eine ganze Branche in Sippenhaft zu nehmen wäre abenteuerlich. In den letzten Jahren ist in puncto Lebensmittelsicherheit sehr viel vorangebracht worden. Im Gegensatz zu früher können wir heute viel genauer und schneller eingrenzen, wo die Warenströme hingehen oder welcher Betrieb diese Stoffe bekommen hat. Transparenz und Rückverfolgbarkeit funktionieren.

Wie steht es um eine Branche, die Kühe wie bei der BSE-Krise mit Tiermehl füttert und Schweine wie beim Dioxinskandal mit billigen technischen Fetten mästet?

Nennen Sie mir eine Branche, in der es keine schwarzen Schafe gibt. Leider ist die Welt nicht so gut, wie wir es gerne hätten. Darum gibt es derartige Skandale. Gegen solche Einzelfälle müssen wir konsequent vorgehen. Denn Bauern und Verbraucher gehören zu den größten Opfern. Die Landwirtschaft erleidet massive finanzielle Schäden von rund 40 bis 60 Millionen Euro pro Woche und trägt einen erheblichen Imageschaden davon.

Mit ihrem Aktionsplan will Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) das Netz von Vorschriften und Kontrollen für die Futtermittelbranche nun verstärken. Brauchen wir nicht vielmehr eine neue Diskussion um den besonderen Wert von Nahrung?

Diese Diskussion brauchen wir ganz sicher. Als Bauernverband führen wir sie seit Jahren. Lebensmittel sind mehr wert. Das müssen Handel und Verbraucher endlich annehmen. Fest steht aber: Auch wenn Nahrungsmittel teurer wären, wäre dies keine Garantie, dass Betrug und kriminelle Machenschaften nicht passieren würden. Um stärkere Kontrollen bei den Hauptgefahrenpunkten wird man nicht herumkommen.

Anderes Thema: Bio-Energie boomt und ist für viele Bauern zu einem erheblichen Einkommensfaktor geworden. Produzieren Bauern in Zukunft Energie und nicht mehr Lebensmittel?

Nahrungsmittelproduktion ist und bleibt unser Haupterwerbszweig. Besonders in den Jahren schlechter Getreidepreise wurde Bio-Energie aber für die Betriebe eine wichtige Stütze. Heute ist die Relation zwischen dem Verdienst, der sich durch die Lebensmittelproduktion einerseits und der Biogaserzeugung andererseits erzielen lässt, allerdings aus dem Lot geraten. Da brauchen wir schnell eine Anpassung.

Sie sprechen von der staatlichen Förderung von Biogasanlagen?

Ja. Hier müssen die Höhe und Struktur der Förder-Boni so schnell wie möglich überprüft werden, damit es nicht zu weiteren Ungleichgewichten kommt. Momentan ist die Förderung für Biogaserzeuger zu hoch. Wir wollen die Biogasschiene nicht kaputt machen, es müsste zum Beispiel der Einsatz von Gülle bessergestellt werden. Aber die Gewinnmöglichkeiten müssen insgesamt im Einklang mit dem sein, was man in der übrigen Landwirtschaft verdienen kann.

Gleichzeitig planen Sie, die Flächen zum Anbau von Energiepflanzen von derzeit 2 Millionen Hektar auf insgesamt 3 Millionen Hektar auszuweiten. Wie passt das zusammen?

Das ist die Grenze, bis zu der der Anbau von Energiepflanzen ausgedehnt werden kann, ohne die Produktion von Lebensmitteln - bei Nutzung des züchterischen und technischen Fortschritts - einzuschränken. Die Energieproduktion würde die Lebensmittelproduktion also nicht behindern.