Seit 1998 verbindet Weissach und Marcy l’Etoile eine Städtepartnerschaft. Mit den Gästen aus Frankreich kommt auch stets ein Hauch Savoir-vivre.
„Freundschaft bedeutet Frieden“, bringt es Christophe Marie-Brouilly auf den Punkt. Menschen, die sich in Freundschaft herzlich zugetan sind, bekämpfen und bekriegen sich nicht. Das Gemeinderatsmitglied aus Marcy l‘Etoile und Beauftragter für die seit 1998 bestehende Partnerschaft mit Weissach (Kreis Böblingen) ist ein entschiedener Verfechter direkter Verbindungen zwischen den Menschen. „Für uns ist es wichtig, die Freundschaft zwischen unseren Gemeinden und den Menschen am Leben zu erhalten, wir dürfen nicht vergessen, dass es auch andere Zeiten gab.“
Wenn auch wohl kaum jemand der Teilnehmer oder Teilnehmerinnen am Partnerschaftstreffen, das am langen Himmelfahrtswochenende in Weissach stattfand, die verheerenden Kriege zwischen den Völkern noch selbst erlebt hat, so wurde ihnen doch von Eltern und Großeltern davon erzählt.
Erzfeindschaft gibt es nur noch in Geschichtsbüchern
Für viele junge Menschen aber ist dies 80 Jahre nach Kriegsende nur noch ein Fall für den Geschichtsunterricht. „Wir wollen mit unserem Engagement auch etwas Positives für die Jugend zurücklassen“, sagt Christophe Marie-Brouilly. Deswegen soll auch der derzeit brachliegende Austausch von Jugendlichen wiederbelebt werden. Für kommendes Jahr ist ein Treffen von Schülern am Sitz des Europäischen Parlaments in Straßburg geplant.
Sprachbarrieren sieht er kaum als Hindernis für den Austausch miteinander. „Wir sprechen viel mit dem Herzen.“ Deswegen organisiert er zusammen mit etlichen Mitbürgern aus Marcy l’Etoile, das im Großraum Lyon liegt, ebenso wie die Weissacher Mitglieder des Partnerschaftsvereins regelmäßige Kontakte, aus denen längst viele persönliche Freundschaften entstanden sind.
Dazu gehört der jährlich abwechselnde Besuch einer Delegation in einer der sieben Autostunden voneinander entfernt liegenden Partnergemeinden. In diesem Jahr war Weissach wieder Gastgeber. 34 Freunde aus Marcy l’Etoile, einem Ort mit rund 3800 Einwohnern und damit etwa halb so groß wie Weissach und Flacht zusammen, waren angereist, um Beziehungen aufzufrischen, Neues zu erleben, gemeinsam zu feiern und Kontakte zu knüpfen. Auf dem Programm standen Besuche in Waldenbuch bei Ritter Sport und dem Museum der Alltagskultur. Am Samstagabend gab es in der Alten Strickfabrik ein großes Partnerschaftsfest.
Ganz in Weiß in der Strickfabrik
Und vor der Abreise am Sonntag stand wie üblich das Diner en blanc auf dem Programm, eine Tradition aus Frankreich, die auch hierzulande immer mehr Anhänger findet. Im vergangenen Jahr musste es witterungsbedingt ausfallen, in diesem Jahr wurde es in die Strickfabrik verlegt. Rund 80 in festlichem Weiß gekleidete Gäste sitzen an großen Tischen zusammen, speisen und plaudern mit den Nachbarn, die über die Jahre längst zu Freunden geworden sind, wie Hermann Groß mit Blick auf die lebhafte Gesellschaft sagt.
Der 74-Jährige hat die Partnerschaft der Gemeinden von Anfang an mitgestaltet, seit 2006 ist er erster Vorsitzender des Weissacher Vereins. Die Gemeinde stellt für die Aktivitäten zur „Jumelage“, wie die Partnerschaft auf Französisch heißt, dem Verein jährlich ein Budget zur Verfügung. Für Hotelkosten muss dabei weder hier noch in Frankreich Geld ausgegeben werden. „Wir haben für alle Leute immer private Gastgeber gefunden“, so Hermann Groß.
Christel Schalck, die aus dem Elsass stammt und in Marcy l’Etoile lebt, erzählt: „Wir sind seit 24 Jahren in Weissach in der gleichen Familie untergebracht und längst Freunde. Wir hoffen, dass das noch sehr lange so weitergeht.“
Inzwischen geht das Diner en blanc, das in Frankreich traditionell auf öffentlichen Plätzen stattfindet, dem Ende entgegen, es herrscht Aufbruchstimmung. Die lange Fahrt zurück nach Südfrankreich steht bevor. „Beim Abschied herrscht schon jedes Mal etwas Wehmut“, gesteht Hermann Groß. Und dann erzählen er und Christophe Marie-Brouilly noch von einem Projekt, bei dem die beiden Gemeinden gemeinsam einer vom Krieg geplagten Gemeinde in der Ukraine mit Medikamenten helfen.