An der Alemannenschule in Wutöschingen hat jeder Schüler ein Tablet Foto: dpa

In der Stadt haben die Bürger Zugang zu schnellem Internet, auf dem Land bleibt es ein Wunschtraum. Die grün-schwarze Landesregierung will die Digitalisierung zügig vorantreiben. Der Opposition geht vieles zu langsam.

Stuttgart - „Unser Ehrgeiz ist es, auch den letzten Schwarzwaldhof mit schnellem Internet zu versorgen“, kündigte Thomas Strobl, Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration, am Dienstag in Stuttgart an. Noch immer gebe es ein starkes Stadt-Land-Gefälle. In den Städten hätten mindestens 75 Prozent Zugang zu schnellem Internet mit mindestens 50 Mbit pro Sekunde, in ländlichen Gebieten dagegen lediglich ein Drittel.

Bis wann die Lücken geschlossen werden sollen, ließ der CDU-Politiker allerdings offen. Im laufenden Jahr habe die Landesregierung 100 Millionen Euro in den Breitbandausbau gesteckt, Grün-Rot habe in fünf Jahren nur 75 Millionen Euro investiert. Im kommenden Jahr sollen insgesamt 150 Millionen in die Digitalisierung fließen, davon 108,7 Millionen in den Breitbandausbau. Bis zum Jahr 2021 will das Land insgesamt 325 Millionen Euro in die Digitalisierung investieren.

Welche Vorhaben außer dem Netzausbau gefördert werden, ist noch offen. Ziel sei, vor der Sommerpause im nächsten Jahr eine Digitalisierungsstrategie zu verabschieden. An diesem Mittwoch startet die erste „Digitalisierungswerkstatt“ – dabei geht es darum, wie Kommunen und Verwaltung die neuen Möglichkeiten nutzen können.

Digitale Bildung auch in den Schulen

Alle Ministerien werden in die Digitalisierungsoffensive einbezogen, und sie haben auch schon entsprechende Vorschläge gemacht. Eine zentrale Rolle spiele die digitale Bildung, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann. „Rund 65 Prozent der Schüler von heute werden einmal einen Beruf ergreifen, den es noch gar nicht gibt.“ Das Kultusministerium will unter anderem sicherstellen, dass alle Schüler Zugang zu den digitalen Medien haben und mit ihnen lernen – an einigen Schulen wird bereits der Einsatz von Tablets erprobt. Zudem soll die Lehrerfortbildung ausgebaut werden.

Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst möchte Baden-Württemberg zum „Cyber Valley“ machen: Wissenschaft und Wirtschaft sollen gemeinsam „nicht nur die besten, sondern auch die klügsten Maschinen“ entwickeln und bauen. Unterstützung bei der Umstellung sollen vor allem auch kleine und mittlere Betriebe erhalten.

Aber auch die Bürger sollen in ihrem Alltag von den neuen Möglichkeiten profitieren, etwa durch einen Ausbau des Online-Service. Manche Behördengänge könnten dann überflüssig werden, etwa weil Anträge elektronisch gestellt werden können. Das Sozialministerium erhofft sich durch die Telemedizin eine bessere Beratung und Versorgung von Kranken und Älteren, das Verkehrsministerium bessere Möglichkeiten der Verkehrssteuerung und Stauvermeidung und auch die Weiterentwicklung des automatisierten Fahrens. Eine große Rolle in allen Bereichen spielt das Thema Datensicherheit.

SPD und FDP vermissen klare Strategie

SPD und FDP warfen Strobl vor, er verbreite „viel heiße Luft“. Ein halbes Jahr nach der Regierungsbildung hätten sie mehr erwartet als eine Ankündigung, dass man über das Thema Digitalisierung reden wolle. Von einer Digitalstrategie oder gar einem Konzept könne keine Rede sein. Auch bleibe die Landesregierung die Antwort schuldig, wie die Belange von Arbeitnehmern berücksichtigt werden sollten, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch. Sie habe weder geklärt, wie „gute digitale Arbeit sichergestellt werden kann, noch wie die dadurch erforderliche Weiterbildung in allen Lebensphasen gestaltet werden soll“. Timm Kern, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion, kritisierte zudem die Finanzierung. Die eingeplanten Mittel reichten „bei weitem nicht aus“, um allen Zugang zum schnellen Internet zu ermöglichen.

Der Handwerkskammertag forderte, bei der Vorbereitung auch „Multiplikatoren aus Wirtschaft, Gesellschaft und Verbänden eng einzubinden“. Es komme darauf an, die Digitalisierung vom Menschen und vom Unternehmen her zu denken, sagte Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold : „Da hat das Handwerk mit seiner Nähe zum Kunden einen Vorsprung, auf den wir aufbauen und Erfahrungen, die wir einbringen können.“