Der Chef des zweitgrößten deutschen Genossenschaftsinstituts, Martin Hettich, treibt die Digitalisierung mit Nachdruck voran. Foto: Sparda

Nicht nur Autobauer und Ministerpräsidenten pilgern ins Silicon Valley, um sich von innovativen Arbeitsmethoden inspirieren zu lassen, auch Banker. Sparda-Bank-Chef Martin Hettich hat einige Ideen in die Tat umgesetzt.

Stuttgart - Mobil, von unterwegs seine Bankgeschäfte erledigen, das ist längst keine Zukunftsmusik mehr. Martin Hettich, Chef der Sparda-Bank Baden-Württemberg klingt begeistert, wenn er aufzählt, was heute möglich ist. Kürzlich habe sich ein Interessent aus dem diplomatischen Dienst, der in Malaysia (Südostasien) lebt und nach Stuttgart ziehen wird, an die Bank gewandt und eine Baufinanzierung angefragt. Er wollte in der Landeshauptstadt eine Wohnung kaufen.

Ein Kunde aus Malaysia? Das war bisher für eine Bank, die ihren Kernmarkt in Baden-Württemberg hat, jenseits des Radarschirms. „Die Kontoeröffnung erfolgte online und die Baufinanzierungsberatung per Videochat. Das ging alles problemlos, ohne dass der Kunde vor Ort sein musste“, sagt Hettich.

Das Kundenverhalten wird sich „weiter dramatisch verändern“, sagt der Bankmanager. Deshalb treibt er die Digitalisierung der Sparda-Bank mit Nachdruck voran. Jetzt hat sich der 56-Jährige die Arbeitsweise der Mitarbeiter vorgenommen. Er möchte – wie zurzeit immer mehr Firmen – eine agile Unternehmenskultur etablieren, wie sie von den innovativen Technologiefirmen im Silicon Valley propagiert wird. Für eine regionale Bank ist das bemerkenswert.

Selbstständiges Denken ist gefragt

Was heißt das konkret? „Die Mitarbeiter sollen über Ressortgrenzen und Hierarchiestufen hinweg in Projektteams zusammenarbeiten und Aufgaben selbstständig lösen.“ Das erfordere Umdenken bei Menschen, die in Hierarchien eingebunden und anders zu arbeiten gewöhnt seien, sagt der Bankchef. Damit das eigenverantwortliche, innovative Arbeiten funktioniert, werden den Teams sogenannte agile Trainer zur Seite gestellt, die ihnen Methoden an die Hand geben, um ihre Ideen zu entwickeln. „Wir haben Freiräume geschaffen“, sagt Hettich, „damit Mitarbeiter sich eigenverantwortlich treffen können, um neue Angebote für Kunden zu entwickeln, die wir in der alten Organisationsstruktur gar nicht auf dem Radar hatten.“

Mit neuen Methoden will die Bank auch Mitarbeiter locken

Zwei Dinge vor allem verspricht sich der Vorstand von diesen Arbeitsweisen: mehr Kreativität und mehr Tempo in der Entwicklung. Aber auch, dass die Bank attraktiver wird für Arbeitnehmer, wie Hettich einräumt. Mitarbeiter wollen gestalten, sie wollen an Veränderungen teilhaben und sich auch persönlich entwickeln, sagt der Bankchef. Durch die agile Arbeitsweise „entsprechen wir eher der Erwartungshaltung junger Menschen an ihre Arbeit“. Das sei ein nicht zu unterschätzender Faktor in einer Zeit, in der Unternehmen um die besten Köpfe im Wettbewerb stehen. In den vergangenen eineinhalb Jahren sind eine Handvoll Projekte verfolgt worden. So haben sich zum Beispiel Mitarbeiter aus ganz unterschiedlichen Bereichen der Baufinanzierung zusammengesetzt und überlegt, wie sie den ganzen Prozess von der Beratung bis zur Finanzierung schneller und bequemer für den Kunden gestalten können. Ein anderes Team hat sich der Fragestellung gewidmet, welche Methoden Mitarbeiter benötigen, um in solchen Projekten eigenständig zu arbeiten. Das Ergebnis war ein Methodenkoffer, der jeden in die Lage versetzt, bestimmte kreative Prozesse zu initiieren.

Eine Reise ins Silicon Valley hat inspiriert

Die modernen Arbeitsmethoden haben es Hettich und anderen Führungskräften bei einem Besuch im Silicon Valley angetan. Das war Anfang 2017. „Das Aufbrechen herkömmlicher Vorgehensweisen hat uns begeistert“, erinnert sich der Sparda-Bank-Chef. „Wir wollten das auf freiwilliger Basis ausprobieren.“

In der ersten Phase waren 80 der über 700 Mitarbeiter bereit mitzumachen. Die Teams haben sich anfangs in ihrer Freizeit getroffen – freitagnachmittags, manchmal sogar auch am Sonntag. „Die Kollegen haben sich Pizza bestellt, und los ging’s“, sagt Hettich. „Das war nicht die typische Bankarbeitsweise.“ Doch auf Dauer sind solche Überstunden nicht tragbar. Weil immer mehr Arbeit in den Teams anfiel, entschied die Bank nach geraumer Zeit, die Treffen in die Regelarbeitszeit zu verlegen.

Kreativität lässt sich nicht erzwingen

Die Ergebnisse aus den Projekten sollen weiterverfolgt werden, sofern sie die Bankspitze überzeugen. Dazu erhalten die Teams Gelegenheit, ihre Idee in einem Wettbewerb dem Vorstand kurz und knapp zu präsentieren und dafür zu werben, sie umzusetzen.

Hettich hofft, dass diese neue Kultur Schule machen wird im Unternehmen und eine Sogwirkung entfaltet. Doch erzwingen will er es nicht, betont er. Zunächst wird jetzt fast ein ganzes Stockwerk am Hauptsitz so umgebaut, dass die neuen Arbeitsmethoden angewandt werden können: Großraum, keine festen Arbeitsplätze, kreative Arbeitsstationen und Rückzugsorte. Zwei Abteilungen werden da einziehen. Der Bankchef ist überzeugt, dass „es funktionieren wird, weil der Wunsch, so zu arbeiten, von den Mitarbeitern kommt und ihnen nicht von oben übergestülpt wird“.

Auch wenn das Kundenverhalten sich ändert, sollen Filialen mit Bankmitarbeitern auch in Zukunft eine Rolle spielen bei der Sparda-Bank. „Wir halten es nach wie vor für sehr wichtig, präsent zu sein“, sagt Hettich. Deshalb wird die Bank zwei neue Standorte eröffnen – einen in Biberach an der Riß und einen in Schwäbisch Hall.