In Zukunft wird sich wohl alles um die Glasfaserkabel drehen – auch die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen hängt davon ab. Foto: dpa

Der Landrat, die Rathauschefs und die Kreishandwerker schließen einen Pakt für eine bessere Breitbandversorgung. Derzeit gibt es aber kaum Firmen, die Aufträge entgegennehmen. Zudem hegen einige Zweifel an der Geschäftspraxis der Telekom.

Böblingen - Beim Ausbau mit Glasfaserkabel mischen sich in die Zuversicht auch kritische Töne. Zwar zeigten sich die Gäste im Böblinger Herman-Hollerith- Zentrum (HHZ) am Montagabend, bei dem es um das Thema Breitbandversorgung ging, deutlich erleichtert darüber, dass man in der Region nun mit der Deutschen Telekom für ein schnelleres Internet sorgen möchte. Im Zuge dessen vereinbarten der Landrat Roland Bernhard, Bernd Dürr als Vertreter der Rathauschefs im Kreis sowie Thomas Wagner von der Kreishandwerkerschaft eine engere Zusammenarbeit. Doch nimmt etwa der Gärtringer Bürgermeister Thomas Riesch kein Blatt vor den Mund, indem er sagt: „Wir haben mit der Telekom schlechte Erfahrungen gemacht.“

Werden 1,6 Milliarden Euro reichen?

Dabei ist es die Telekom, die in den nächsten Jahren mit einem Milliardenbetrag die Region Stuttgart digital auf Vordermann bringen möchte. Vor zwei Wochen hatten die fünf Landräte, der Stuttgarter Oberbürgermeister, die Wirtschaftsförderung der Region sowie der Telekom-Vorstand eine Absichtserklärung unterzeichnet, wonach bis zum Jahr 2030 sämtliche Firmen sowie neun von zehn Privathaushalten über eine Leistung von einem Gigabyte und mehr verfügen sollten. Die Telekom will dafür 1,1 Milliarden Euro investieren, die Kommunen und Kreise sollen eine halbe Milliarde Euro beisteuern. Berücksichtigt werden soll dabei der Wert der bestehenden Breitbandnetze.

Wird das Geld für den Ausbau aber auch wirklich reichen? Der Gärtringer Schultes, ebenfalls zu Gast im HHZ, bezweifelt das. Zumal es auch darum gehe, wirtschaftlich weniger lukrative Gebiete – den ländlichen Raum – mit einer besseren Leistung auszustatten. In seiner Gemeinde jedenfalls habe es die Telekom abgelehnt, die Häuser mit Glasfaserkabel zu versorgen. Stattdessen seien von den Verteilern bis in die Gebäude Kupferkabel verlegt werden. Bis zu den Verteilern lägen dagegen Glasfaserkabel.

Uploads sind zu langsam

Die Nutzer kommen jetzt laut Riesch auf bis zu 100 Mbit/s beim Download, manchmal aber auch auf deutlich weniger: „Je nachdem, ob man direkt hinter der Verteilerstation sitzt oder nicht.“ Für viele reiche das derzeit aus. Die Frage sei nur, wie es sich in fünf bis zehn Jahren verhalte, wenn sämtliche Geräte im Haushalt an das Internet angeschlossen seien. Das Herunterladen gehe manchen zurzeit schon deutlich zu langsam. Dass die Telekom in Gärtringen Kupfer verwende, sei ganz klar eine Kostenfrage. „Es ist billiger“, sagt Riesch.

In der Region Stuttgart verfügen laut dem Breitbandbeauftragten des Regionalverbands, Hans-Jürgen Bahde, momentan 1,9 Prozent der Internetnutzer über Glasfaserkabel. Im Kreis Böblingen sind es knapp drei Prozent. Die Frage, die sich der Gärtringer Schultes nun stellt: „Wird die Telekom eines Tages bei uns das Kupfer durch Glasfaser ersetzen? Und wenn: wann?“ Es sei bisher völlig ungeklärt, wie man in der Region beim schnelleren Internet vorgehen wolle: „Wer kommt zuerst dran?“

Baufirmen sind ausgelastet

Laut Bahde stellt sich dabei ein weiteres Problem. Viele Tiefbaufirmen in der Region sind derzeit mit Straßenbaustellen ausgelastet, insbesondere im staugeplagten und wirtschaftsstarken Kreis Böblingen. Deshalb werde es künftig auf die Kapazitäten der Unternehmen ankommen, die die Glasfaserleitungen verlegen sollen.

Größere Kommunen im Kreis wie etwa Sindelfingen können es sich leisten, selbst für ein Kabelnetz zu sorgen, Leerrohre zu verlegen und Anschlüsse anzubieten. Die Sindelfinger Stadtwerke haben laut ihrem Geschäftsführer Karl-Peter Hoffmann dafür eine Summe in zweistelliger Millionenhöhe aufgebracht. Bereits seit dem Jahr 2008 betreiben sie ein eigenes Glasfasernetz, an das derzeit rund 2500 Privatkunden und hundert größere Firmen angebunden sind. Der Dienstleister ist eine Firma der RWE-Gruppe. Auch andere Stadtwerke wie die in Herrenberg bieten Anschlüsse mit Glasfaser an. 70 Haushalte sind in Neubaugebieten angeschlossen. Dort kommen diverse Dienstleister zum Zug. „Wir haben einen freien Wettbewerb. Die Telekom ist auf dem Markt nicht alleine“, unterstreicht Karl-Peter Hoffmann.

Höhere Bandbreiten im Visier

Kooperation:
Der Kreis wird der noch zu gründenden Breitband-Service-Gesellschaft beitreten. Ihr sollen die fünf Landkreise in der Region angehören, die Landeshauptstadt und die Region, vertreten durch den Verband Region Stuttgart und/oder die Wirtschaftsförderung. Der Böblinger Kreistag bewilligte den für dieses Jahr erforderlichen Mitgliedsbeitrag von 80 000 Euro und für die Folgejahre in Höhe von 120 000 Euro.

Versorgung:
Das Ziel der Gesellschaft ist es, bis 2020 insgesamt 94 Prozent aller Haushalte und Unternehmen mit Glasfaserkabel und einer Bandbreite von 100 bis 250 Mbit/s auszustatten. 2022 sollen 90 Prozent aller Gewerbegebiete mit Anschlüssen von mindestens einem Gigabit versorgt sein. 2030 soll diese Leistung allen Firmen und 90 Prozent aller Haushalte zur Verfügung stehen.