Der Kollege Roboter könnte weit mehr Arbeitsplätze besetzen als noch vor wenigen Jahren geahnt. Foto: dpa

Auch Facharbeiter könnten der Digitalisierung zum Opfer fallen, insbesondere im Landkreis Böblingen. Eine bunte Runde will beruhigen.

Böblingen - Im übertragenen Sinne ist dies die Botschaft dieser Runde: Dass sie in den Filialen der Burger-Kette Mc Donald’s ihre Bestellung in einen piependen Automaten tippen, statt sie einer freundlichen Verkäuferin mitzuteilen, ist den Gästen eine Freude. Die einstige Verkäuferin hat inzwischen gelernt, wie die Software jener und anderer Automaten zu programmieren ist. Denn: „Digitalisierung macht Spaß und wird die Lebensqualität stark verbessern.“ So fasst es Roland Bernhard volksnah zusammen, der Böblinger Landrat.

Die Arbeitsagentur hat eingeladen, um die Ergebnisse einer Studie zu den Folgen der Digitalisierung für den Arbeitsmarkt zu diskutieren. Die Runde ist bunt gemischt, vom Unternehmer über den Behördenleiter bis zum Bundestagsabgeordneten. Das Institut für Arbeitsmarktforschung hat die Studie gefertigt. Die Ergebnisse könnten durchaus erschrecken. Susanne Koch fasst sie so zusammen: „Eine duale Ausbildung allein ist keine Garantie mehr“ – keine Garantie dafür, dass ein Rechner oder Roboter statt eines Menschen auch handwerkliche Arbeit billiger erledigt. Koch zählt zur Geschäftsführung der Stuttgarter Arbeitsagentur.

Ganz oben auf der Liste der gefährdeten Arten stehen Fertigungsberufe

Ganz oben auf der Liste der gefährdeten Arten stehen neben den Hilfsarbeitern inzwischen die Berufe der Fertigung und Fertigungstechnik. Weil sie im Kreis Böblingen besonders häufig ausgeübt werden, ist der Arbeitsmarkt besonders betroffen. Fast 30 Prozent der Stellen könnten durch digitale Technik ersetzt werden. In Stuttgart sind es lediglich 18 Prozent. In die landesweit trübste Zukunft blicken die Beschäftigten des Kreises Tuttlingen. Dort sind fast 43 Prozent der Arbeitsplätze gefährdet.

Alarmierend scheint insbesondere, dass die Zahlen quer durch alle Branchen innerhalb von nur drei Jahren massiv gestiegen sind. Teilweise haben sie sich verdoppelt. Auch wenn all dies „nicht zwingend heißt, dass die Berufe auch tatsächlich wegfallen“, wie Koch betont. Überhaupt ist Entwarnung die Kernbotschaft der Runde. Rein rechnerisch verschwinden nicht nur Arbeitsplätze, sie entstehen auch: eben in der Digitalbranche, in der Fachkräfte noch verzweifelter gesucht werden als in anderen. Stete Weiterbildung sei eben vonnöten, auch wenn „wir über lebenslanges Lernen im Erwerbsleben schon eine ganze Weile reden“, wie Koch sagt.

Der Entscheidung über Merkels Nachfolge soll die über Milla folgen

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Marc Biadacz gibt zur Kenntnis, er sei Mitglied einer Arbeitsgruppe, die dazu ein Konzept entworfen hat. Mittels einer App namens Milla soll sich alsbald jeder auf seinem eigenen Smartphone fortbilden können, in der Freizeit, in der Mittagspause, überall. Milla steht für „modulares interaktives lebenslanges Lernen für alle“. Über die Idee soll der CDU-Bundesparteitag abstimmen, nachdem er entschieden hat, wer Angela Merkel an der Parteispitze ablöst. Es sei nämlich nur ein Gerücht, dass die Große Koalition nicht arbeite, sagt Biadacz.

Allerdings beklagt der IT-Unternehmer Thomas Grimm, dass nicht alle Entscheidungen zu einem erfreulichen Ergebnis führen: „Nehmen Sie erst mal die Datenschutzgrundverordnung zurück, das ist der größte Unfug.“ Zudem sei die Dauer der Entscheidungsprozesse mit dem Tempo der Branche schwer in Einklang zu bringen. Er würde gern den Kaufmann für E-Commerce als Ausbildung anbieten, für Handel im Internet. Vier Jahre lang hatte es gedauert, bis eine Kommission sich darauf einigte, welche Inhalte zu lehren seien. Aktuell verweigert noch die IHK Grimmes Firma die Genehmigung, die Ausbildung anzubieten. Schließlich verkaufe der Dienstleister keine Produkte. Der Unternehmer hofft nun die Kammerverantwortlichen überzeugen zu können, dass die Dienstleistung in der Digitalbranche das Kernprodukt ist.