Steuererklärungen auf Papier sind ein Auslaufmodell. Immer mehr wird digitalisiert. Foto: dpa

Finanzämter wollen keine Rechnungen mehr, die Steuererklärung wird immer öfter vom Kollegen Computer bearbeitet. Die Digitalisierung bei der Finanzverwaltung kann dem Finanzgericht mehr Arbeit bescheren – und auf den Steuerpflichtigen kommen zusätzliche Pflichten zu.

Stuttgart - Alles in allem war 2016 ein gutes Jahr für das Baden-Württembergische Finanzgericht. Wie schon in den Jahren zuvor haben die 14 Senate mehr Fälle erledigt, als dass neue hinzu gekommen sind. Die Zahl der Verfahrenseingänge hat zwar um rund 200 zugenommen, auf 3887, doch nach zwei Jahren des Rückgangs scheint das verkraftbar. Wenn Artur Weckesser aus dem Präsidialzimmer des Gerichts in die Ferne schaut, dann sieht er einen an diesem Tag in Wolken gehüllten Fernsehturm. Ob das ein Sinnbild für die Zukunft seines Hauses ist weiß der Gerichtspräsident nicht – es könnte aber sein.

Baden-Württemberg steckt viel Energie in die Entwicklung eines Verfahrens zur Digitalisierung der Finanzverwaltung. „Die Zukunft unserer Steuerverwaltung ist digital“, sagte Gisela Splett, Staatssekretärin im Finanzministerium, schon im vergangenen Sommer. Im Klartext: Die Menschen sollen ihre Steuererklärung nicht nur elektronisch einreichen, auch im Finanzamt übernimmt Kollege Computer die Prüfung. Genau das ist es, worüber sich der Gerichtspräsident so seine Gedanken macht.

Vielsagendes über deutsche Behördenarbeit

„Die Digitalisierung der Finanzverwaltung wird mehr Aufklärungsarbeit vor Gericht notwendig machen“, sagt Artur Weckesser. Er sagt es mit viel Bedacht. Das ist kein Aufschrei nach mehr Stellen, keine Forderung, die Finanzbeamten mögen sich mehr Zeit nehmen, um mit dem Steuerpflichtigen Bescheide zu diskutieren. „Dazu fehlt es an Personal und Zeit“, nimmt Weckesser die Mitarbeiter der Ämter in Schutz. Der Gerichtspräsident will seine Anmerkung eher als interpretierende Zustandsbeschreibung verstanden wissen, und die sagt viel über die deutsche Behördenarbeit aus.

Der Gütetermin vor Gericht sei oft die erste Situation, in denen die Beteiligten, sprich der Steuerpflichtige und sein Finanzamt, miteinander reden, sagt Weckesser. Das sei schon heute oft so, und dieser Fall könne noch viel öfter eintreten, wenn sich Bund und Länder mit ihren Digitalisierungsplänen durchsetzen, wonach die Masse der Steuererklärungen vom Computer überprüft wird. Der scannt die Unterlagen mit einem „Risikofilter“. Wie der genau programmiert ist, das ist ein wohl gehütetes Geheimnis.

Wer miteinander redet kann eine Klage vermeiden

„Man kann nicht jeden Sachverhalt wie bei einer Hotline über die Tastatur eines Telefons erklären“ sagt Weckesser. Gerade bei komplexen Steuerdingen gehöre es dazu, dass man miteinander spreche. „Recht häufig“ komme es vor, dass eine Klage im Erörterungstermin zurück genommen werde, nachdem die Finanzverwaltung ein Einlenken signalisiert habe. Mit gespannter Erwartung blickt Weckesser auch auf die geänderten Regeln zum Umgang mit Belegen. Die werden vom Finanzamt derzeit zwar ungeprüft zurück geschickt, das ist jedoch kein Freibrief, sie zu vernichten. Je nach Art der Quittung und Höhe des Einkommens gilt eine mehrjährige Pflicht, diese aufzubewahren.

Weit geringer als bei der Digitalisierung in der Finanzverwaltung sind die Bedenken des Gerichtspräsidenten bei der digitalen Veränderung im eigenen Haus. Noch in diesem Jahr beginnt der Probelauf in Sachen elektronische Akte. „Viele Vorteile“, verspricht sich Weckesser. Bis die Akten der Finanzverwaltung elektronisch an das Gericht gesendet werden, wird es aber noch dauern. Die Steuererklärungen werden zwar vom Computer geprüft, im Streitfall werden aber Papierkopien weiter geleitet.