An der Supermarktkasse kann man nicht nur Einkäufe bezahlen, sondern auch Geld abheben. Foto: dpa

Bargeld gibt es an der Supermarktkasse, Überweisungen sind per Handy möglich. Noch funktioniert das alles nur auf der Basis von Bankkonten – doch Technologiekonzerne könnten eines Tages auch diese anbieten.

Frankfurt - Deutsche-Bank-Chef John Cryan ist ein nüchterner Mann. Die wenigen öffentlichen Auftritte des Briten sind vom landestypischen Understatement geprägt. Und so lässt es aufhorchen, wenn der 57-Jährige ein düsteres Szenario für die Zukunft der Finanzbranche entwirft: „Können wir mit unseren Zahlungsverkehrsleistungen mit Unternehmen konkurrieren, die ebenfalls Zahlungen abwickeln, aber nicht entsprechend reguliert sind“, fragte Cryan kürzlich auf einer Bankenkonferenz mit Blick auf Online-Anbieter wie Paypal. „Oder mit Starbucks, die Vorauszahlungen annehmen – was so ähnlich ist wie Einlagen?“ Eine Kaffeehauskette als Konkurrent der Deutschen Bank? Das ist nicht so abwegig, wie es klingt. Starbucks bietet eine Kundenkarte an, die mit einem Guthaben aufgeladen und für Zahlungen in den Filialen genutzt werden kann. Alternativ ist das mittlerweile auch mit einer Starbucks-App für das Smartphone möglich. Ende 2016 verwaltete Starbucks laut Geschäftsbericht weltweit rund 1,2 Milliarden Dollar auf seinen Kundenkonten.

Fintechs wildern im Revier von Banken

Das ist natürlich ein Klacks verglichen mit den international rund 575 Milliarden Euro an Einlagen bei der Deutschen Bank. Cryans Bemerkung weist gleichwohl auf eine wichtige Entwicklung hin: Es sind nicht nur die viel beachtetenFintechs, also innovative Finanzdienstleister, die im Revier der Banken wildern. Vielmehr versuchen auch Händler und Unternehmen aus anderen Branchen, ihre Kunden durch bequeme neue Angebote rund ums Bezahlen zu locken. Die Palette reicht von der Möglichkeit, an der Supermarktkasse Bargeld abzuheben, bis zu den elektronischen Geldbörsen von Apple und Google. Bislang sind in Deutschland allerdings weder Apple Pay, die elektronische Geldbörse für das iPhone, noch die von Google für andere Smartphones entwickelte Alternative Android Pay verfügbar. Dasselbe gilt für Google Wallet, eine elektronische Geldbörse für Computer.

Viele Banken haben selbst Apps fürs mobile Bezahlen entwickelt

Viele deutsche Banken haben inzwischen selbst Apps fürs mobile Bezahlen entwickelt. Allerdings kann mit den meisten nur Geld überwiesen oder von Handy zu Handy verschickt werden, Zahlungen an der Ladenkasse sind in der Regel nicht möglich. Eine Ausnahme ist die App der Deutschen Bank. Auch sie hat diese Funktion allerdings erst eingeführt, nachdem mehrere Supermarktketten selbst Apps für Handy-Zahlungen entwickelt hatten. Auch beim Mobilfunkanbieter Vodafone gibt es eine solche elektronische Geldbörse.

Zum Glück für die Banken basieren diese branchenfremden Zahlungsmodelle bislang auf einer Zusammenarbeit mit der klassischen Kreditwirtschaft. Bedingung für die Nutzung der Zahlungsdienste von Apple oder Google ist, genau wie bei Paypal, die Hinterlegung einer Kreditkartennummer oder Bankverbindung. Und wer ein Guthaben nur für Einkäufe bei einem bestimmten Händler – wie eben Starbucks oder auch dem Online-Kaufhaus Amazon – einrichten will, benötigt für dessen Aufladung ebenfalls ein Bankkonto. Wirklich gefährlich würde es für die traditionellen Geldhäuser, wenn eines dieser Unternehmen eines Tages selbst eine Banklizenz beantragen oder ein Kreditinstitut kaufen sollte. Damit könnten die US-Konzerne den „Markt aufräumen“, sagte einer der Direktoren der Europäischen Zentralbank (EZB), Yves Mersch, im November auf einer Veranstaltung in Wien.

Kreditinstitute sind bei der Entwicklung digitaler Angebote zu langsam

„Es würde für die Banken sehr schwer, da zu konkurrieren“, meint auch Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft an der Universität Hohenheim. Wegen ihres riesigen Kundenstamms wären Konzerne wie Amazon bei einem Einstieg ins Bankgeschäft eine viel größere Konkurrenz als die meisten Fintechs.

Die Kreditinstitute seien bei der Entwicklung bequemer digitaler Angebote zu langsam, kritisiert Burghof. Eine Ursache dafür seien vielfach veraltete IT-Systeme, die über Jahrzehnte hinweg immer nur teilweise modernisiert oder durch neue Bausteine ergänzt worden seien: „Die EDV vieler Banken ist Schrott, ein Sammelsurium“, sagt der Wissenschaftler. „Wenn Sie ein neues Unternehmen auf der grünen Wiese bauen, ist das natürlich viel effizienter.“ Überdies hätten viele Geldhäuser die Notwendigkeit eines technischen Wandels lange unterschätzt, „weil sie vor allem mit ihren älteren Kunden Geld verdienen“. Aber auch diese entdeckten mittlerweile die Vorteile der Digitalisierung.

Gleichwohl werde es ganz ohne Filialen auch in Zukunft nicht gehen, glaubt Burghof: „Menschliche Ansprechpartner sind schon noch wichtig. Die Verankerung in der Fläche sollten die Banken deshalb nicht aufgeben.“ Auf der Habenseite stehe außerdem „der Vertrauensvorsprung der deutschen Banken“ gegenüber neuen Anbietern. „Ich wollte nicht ausschließlich bei einer Bank in einem anderen Land ein Konto haben“, sagt Burghof.