In München reitet man auch im Winter auf der berühmten Eisbach-Welle. Fitness und Lifestyle sind nun mal wichtig in der bayrischen Hauptstadt – wissen auch die dortigen Start-ups. Foto: dpa

München geht es wie Stuttgart: Start-ups, die sich an Kunden aus Wirtschaft und Industrie richten, dominieren die Szene. Doch das beginnt sich zu ändern, wie ein Event beim Digital- und Innovationsgipfel DLD 18 zeigt.

München - München beherrscht den Glamour: Jedes Jahr im Januar lädt der Münchner Burda Verlag zur Digital- und Kreativkonferenz DLD ein, eine Mischung aus Technologie-Event und Promi-Schaulaufen. Zu Gast sind unter anderem Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) und Uber-Chef Dara Khosrowshahi. Doch ein Start-up-Event am Rande macht deutlich, dass München – wie Stuttgart auch – sich nicht leicht tut, aus der Technologiefixierung herauszukommen und Berlin als Deutschlands Gründerhauptstadt für Konsumenten-Start-ups Paroli zu bieten.

Am Rande des Megatreffens DLD 18 geht es für Gründer etwas kleiner. Start-up Day N’ Nite heißt das zum dritten Mal veranstaltete Event, das sich „Deutschlands intimste Start-up-Konferenz“ nennt. Was den Kuschelfaktor angeht, ist das in einem unscheinbaren Büroturm auf dem Burda-Campus stattfindende Treffen in der Tat kaum zu steigern. Die Räume sind so klein, dass Überfüllung Strategie ist.

Marketing ist wichtiger als Technologe

Auch der Burda Verlag sucht neue Geschäftsmodelle – und er sucht sie anders als ein Automobilkonzern, wo es sehr stark um Technologieentwicklung, Prototypen und Testläufe geht. Beim Start-up-Wettbewerb geht es um Ideen und Marketing. „Uns interessieren Fitness, Gesundheit, Mode, Reise“, sagt die Koordinatorin Natalia Karbasova. Investments gibt es keine zu gewinnen. Dafür sind die aus hundert Bewerbern ausgesuchten zehn Finalisten im Start-up-Wettbewerb in einem zu frühen Stadium. Für die drei Sieger-Start-ups winkt hingegen die Präsenz auf E-Commerce-Plattformen des Konzerns und ein Gratis-Büroplatz in München.

Im engen Präsentationsraum drängen sich auch drei Münchner Start-ups, die Ernährung, Sport und einen Blutcheck für Gesundheitsfreaks anbieten. Das Start-up Curing Shot hat einen Ingwer-Curcuma-Saft entwickelt, dessen Drei-Schluck-Minifläschen bewusst an Arnzeimitteldosierung erinnern. Stückpreis 2,95 Euro. „Das ist klar ein Lifestyle-Produkt“, sagt Gründer Tobias Spiethaler. Ins Start-up-Förderprogramm der Universität München sind sie damit nicht gekommen, dort dominieren Technologiethemen. Doch dafür hat ein legendärer Münchner Feinkostladen gleich Türen und Sortiment geöffnet.

Investoren in München entdecken das Thema Konsum

In München beginnt sich auch eine Szene an Investoren zu etablieren, die auf Konsumenten-Start-ups setzen. So haben die beiden erst 21-Jährigen Gründer auch schon einen Investor gefunden, der mit dem in Berlin basierten Essenslieferdienst Foodora Erfahrung gesammelt hat. „Gesunde Ernährung, das wird ein Megathema – aber das ist bisher hier in München noch viel zu wenig präsent“, sagt Spiethaler. Hier gibt ihm das aktuelle Start-up-Barometer der Beratungsgesellschaft EY recht. 2017 floss in Deutschland dreimal so viel Kapital in Lebensmittel-Start-ups wie in den Bereich Automobil – doch hier griff Berlin das meiste ab.

Aber wer sich wie das Sportartikel-Vergleichsportal Sportiply, um das Thema Fitness und optimale Ausrüstung kümmert, der liege in der Sportstadt München richtig, sagt Gründer Björn Jansen. Doch auch er hat gelernt, wie man sich in einer Technologiemetropole am besten verkauft: „Wir sind ja eigentlich ein Technologie-Start-up“, sagt er. Suchalgorithmen und Datenanalyse habe man selber entwickelt. Und selbst das am Wettbewerb teilnehmende Start-up Loewi gleich nebenan bezeichnet sich als ein an Geschäftskunden richtendes Unternehmen. Bluttests für Leistungsträger sind im Angebot: Manager ist gleich Business-Kunde, lautet die Formel. Für den Test kommt eine „fliegende Krankenschwester“ sogar ins Büro zur Blutabnahme. Und im reichen, gestressten München scheint es dafür tatsächlich Kundschaft zu geben: „Das sind Menschen die gehen bisher zum Privatarzt und zahlen vierstellige Beträge – wir bieten das schon für 350 Euro,“ sagt Loewi-Gründer Philipp Merk.

Doch alle drei Kandidaten sind Münchner Gewächse – sie haben das größte Problem in der Stadt schon vor der Gründung gelöst: Sie haben alle bezahlbare Wohnungen. „Das ist doch auch Einstellungssache: Wenn du deinen Lebensstandard auf einem günstigen Level hältst, kommst du auch hier durch“, sagt Björn Jansen von Sportiply.