Der Milliardär aus der Steiermark mischte erst den weltweiten Getränkemarkt mit dem Energydrink Red Bull auf und machte sich dann im globalen Sportmarkt breit. Nun ist er im Alter von 78 Jahren gestorben.
Dietrich Mateschitz war keiner, der ins Rampenlicht drängte wie mancher Promi, der fürchtet, in Vergessenheit zu geraten. Der Steirer hielt sich bei seinen seltenen Auftritten in der Öffentlichkeit lieber im Hintergrund, als sei er nicht mehr als zufälliges Beiwerk bei Fußballspielen von RB Salzburg oder nur einer von vielen jovialen älteren Herren im Fahrerlager der Formel 1; Interview-Anfragen sagte er lediglich handverlesenen Medienvertretern zu. Dietrich Mateschitz, der Begründer des Red-Bull-Imperiums, war zwar immer wieder dabei, aber nie mittendrin.
Wachen Beobachtern blieb aber nicht verborgen, dass der 78-Jährige zuletzt überhaupt nicht mehr bei Veranstaltungen anwesend war, weder im DFB-Pokalfinale am 21. Mai in Berlin, als der deutsche Red-Bull-Ableger RB Leipzig triumphierte, noch bei der Krönung von Red-Bull-Rennfahrer Max Verstappen zum Weltmeister in Japan am 9. Oktober. Die Gesundheit des Milliardärs sei stark angeschlagen, wurde gemunkelt, er sei an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt. Red Bull schwieg, doch am Samstagabend meldete das Motorsport-Magazin „Speedweek“, eine Publikation des Konzerns, der Österreicher sei „einer langen, schweren Krankheit“ erlegen. Am Rande des Formel-1-Rennens in Austin bestätigte Helmut Marko, der Motorsport-Berater von Red-Bull-Racing, den Tod seines Landsmannes. „Wir wussten, dass er in einem schwierigen gesundheitlichen Zustand war“, sagte Marko bei TV-Sender „Sky“: „Nachdem es jetzt eingetreten ist, ist es trotzdem unfassbar, dass eine so große Persönlichkeit abtreten musste. Er war einmalig, aber er war ein bescheidener Mensch.“
Bescheidenheit mag ein Charakterzug des Mannes aus dem 2700-Seelen-Dorf Sankt Marein im Mürztal gewesen sein, der 1984 auf Geschäftsreise auf das thailändische Getränk Krating Daeng („Roter Bulle“) gestoßen war, der mit dessen Erfinder Chaleo Yoovidhya verhandelte und mit der taurinhaltigen Brause den globalen Getränkemarkt von 1987 an überschwemmte. Erfindungsreich, zielstrebig und durchsetzungsstark, diese Eigenschaften zeichneten Mateschitz wesentlich sichtbarer aus. Vergangenes Jahr verkaufte der Konzern, mittlerweile ein Unternehmen mit 13 000 Angestellten, fast zehn Milliarden Dosen und besitzt einen Marktanteil von etwa 70 Prozent im neu begründeten Marktsegment der Energydrinks – „Red Bull verleiht Flügel“, so der Werbeslogan. Die Mixtur ließ kaum einen der Kunden dauerhaft abheben, Mateschitz aber stieg in finanziell himmlische Sphären auf und war laut Forbes-Liste mit einem Vermögen von 16,5 Milliarden US-Dollar reichster Österreicher und weltweit die Nummer 57.
Mateschitz sei „der beeindruckendste Unternehmer gewesen, den wir in Österreich je hatten“, sagte Toto Wolff, der Teamchef des Mercedes-Rennstalles, am Rande des Grand Prix in Austin, was dieser „dem Sport gebracht hat, hat es davor nicht gegeben“. Risikofreudig war er, der Steirer, als er sich wie die Afrika-Entdecker im 19. Jahrhundert in den gefährlichen Dschungel auf kaum erforschtes Businessgelände wagte. Gigant Coca-Cola wandte im Marketing etwa neun Prozent des Umsatzes auf – bei Red Bull galt die Regel, 40 Prozent zu investieren, um den Namen zu verbreiten und ein positives wie erlebbares Image aufzubauen. Streng genommen ist Red Bull gar kein Getränkehersteller: Die Produktion der populären Brause besorgt ein externer Dienstleister. Kerngeschäft von Red Bull ist die Pflege der Marke.
Großer Einstieg in den Sport
Das Imperium aus Fuschl am See (knapp 1600 Einwohner) im Bundesland Salzburg drängte von 2000 an auf die gewinnträchtigen Spielfelder Fußball, Motorsport und Eishockey, um ein breites Publikum zu erreichen. Das Unternehmen sicherte sich die Fußball-Clubs Red Bull Salzburg (2005), RB Leipzig (2009) und New York Red Bull (2006), die Eishockey-Vereine EC Red Bull Salzburg (2000) und EHC Red Bull München (2012), zudem kaufte der Getränkeriese in der Formel 1 den Jaguar-Rennstall (2004) sowie das Minardi-Team (2006) und machte daraus Red-Bull-Racing und zunächst Toro Rosso, heute Alpha Tauri. „Ohne Mateschitz wäre ich nicht hier“, sagte Formel-1-Doppelweltmeister Max Verstappen in Austin, auch der viermalige Champion Sebastian Vettel begründete seine große Karriere im Team des österreichischen Rennstalls.
Vor dem Einstieg in die konventionellen Sportarten setzte Red Bull auf trendige, hippe und weniger bekannte Disziplinen, um den Durst der jüngeren Generationen nach Spektakulärem zu stillen – Action, Fun, Spaß, Nervenkitzel; je außergewöhnlicher, je frecher, je riskanter, umso reizvoller: Der Stratosphären-Sprung von Felix Baumgartner 2012 aus 39 Kilometer Höhe brachte Red Bull weltweite Beachtung. „Es ist nicht die Flüssigkeit, sondern eine ganze Mythologie, die damit angefüllt ist. Sie wird erzeugt durch Sportereignisse und andere Großereignisse, die sehr spektakulär sind“, analysierte der Berliner Sportphilosoph Gunter Gebauer einmal, „es sind meistens Dinge, die noch nie passiert sind.“ Extremsportler wie Drachenflieger, Base-Jumper, Wingsuit-Flieger, Flugzeug-Piloten, Bergsteiger und Fallschirmspringer waren Markenbotschafter, es folgten Skirennfahrer und Skispringer, Snowboarder, Surfer sowie Motorrad- und Mountainbike-Piloten. Rund 600 Profisportler sind aktuell mit dem Bullen-Logo auf der Ausrüstung aktiv.
Sechs tote Extremsportler
Doch mit dem aggressiven Vermarkten des Risikos hat sich Dietrich Mateschitz nicht nur Freunde gemacht, weil bei lebensgefährlichen Aktionen eben Erfolg nicht garantiert werden kann. Sechs Extremsportler bezahlten ihren Einsatz mit dem Leben, darunter ein Skifahrer, ein Motorradfahrer und ein Fallschirmspringer. Die ARD drehte bereits 2013 eine Dokumentation mit dem Titel „Die dunkle Seite von Red Bull“. Die Negativwerbung schmerzte sehr, denn das Unternehmen ist stark daran interessiert, Botschaften nicht durch fremde Medien verbreiten zu lassen, weshalb Anfragen von außen häufig abgelehnt werden mit dem freundlichen Satz: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir Ihre Fragen zur Marketingstrategie nicht beantworten können.“
Es zählt zur Firmenphilosophie, Nachrichten und Geschichten selbst zu produzieren und in die Welt zu schicken, um die volle Kontrolle zu besitzen, dafür sendet Tochterunternehmen Red Bull Media House mit dem TV-Sender „Servus TV“ und gibt die Magazine „Red Bulletin“ sowie „Speedweek“ heraus. Auch diese Aktivitäten sind nicht immer unumstritten. „Servus TV“ und das Medienprojekt „Addendum“ wurden wiederholt wegen rechtspopulistischer Ausrichtung kritisiert. Zudem erhielten während der Corona-Pandemie Verschwörungstheoretiker und Impfgegner eine mediale Bühne. 2016 wollten die Mitarbeiter von Servus TV einen Betriebsrat gründen, Mateschitz drohte mit der Auflösung des Senders. Der Chef setzte sich durch.
Dietrich Mateschitz hatte im Leben mehrere Gesichter und sein Charakter viele Facetten. Der Steirer war vieles, aber ganz bestimmt kein Verlierer.
Das Red-Bull-Imperium
Geschichte
Mit 40 Jahren begann für den 1944 in der Steiermark geborenen Mateschitz der Aufstieg. Nachdem der Österreicher Betriebswirtschaft studiert und für einen Zahnpasta-Hersteller gearbeitet hatte, gründete er 1984 mit dem Thailänder Chaleo Yoovidhya (verstorben 2012) das Unternehmen Red Bull. Mateschitz hält wie die Yoovidhya-Holding 49 Prozent am Unternehmen, Chaleos Sohn Chalerm besitzt die übrigen zwei Prozent Anteile.
Nachfolge
Wer in die Fußstapfen von Mateschitz tritt, ist unklar. Seit Jahren wurde sein Sohn aufgebaut. Mark Mateschitz wurde 1993 als Mark Gerhardter geboren und wuchs bei Mutter Anita auf, mit der Dietrich Mateschitz eine zweijährige Beziehung führte. Das Paar war nie verheiratet.