Das OLG in Karlsruhe hat tief in die Kommentierung des Gesetzes geblickt. Foto: dpa

Im Dieselskandal hat das Oberlandesgericht in Karlsruhe die Schummelsoftware als „sittenwidrig“ bezeichnet. Für VW könnte das dramatische Auswirkungen haben, kommentiert Christian Gottschalk.

Stuttgart - Das Oberlandesgericht in Karlsruhe ist schon das zweite deutsche Obergericht, dem binnen weniger Tage in der Causa Diesel und VW der Kragen geplatzt ist. Wie vor wenigen Tagen bereits der Bundesgerichtshof, so hat nun auch das OLG einen Weg genutzt, um der Öffentlichkeit seine Meinung kundzutun, weil die Richter befürchten mussten, der Autokonzern werde sie sonst daran hindern. In einem Hinweisbeschluss haben die Richter detailliert erklärt, warum ihrer Ansicht nach die illegale Schummelsoftware eine vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung durch den Autobauer ist. Hinweisbeschlüsse sind nichts Ungewöhnliches in der Justiz. In der Regel sind sie nur für die Verfahrensbeteiligten gedacht. Nun haben beide Gerichte dafür gesorgt, dass der Inhalt ihrer Ausführungen öffentlich wird. Das ist überaus ungewöhnlich.

Volkswagen verhindert Urteile

Volkswagen hat in der Vergangenheit oft Vergleiche geschlossen, wenn es knapp zu werden drohte vor Gericht. Auch jetzt haben die Wolfsburger noch die Möglichkeit, die OLG-Entscheidung zu verhindern. Sie müssen nur das Urteil der Vorinstanz akzeptieren, in der sie unterlegen waren. Doch die Ansicht des OLG ist nun schon einmal öffentlich – und kann andere Gerichte darin bestärken, einen vergleichbaren Weg zu gehen. Das Karlsruher OLG wird damit zum direkten Gegenspieler der Kollegen in Braunschweig, die im Februar genau anders herum entschieden hatten.

400 000 Menschen wollen Geld von VW

In der Gerichtshierarchie ist das Karlsruher OLG unter dem Bundesgerichtshof. Die Frage der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung, die vor dem OLG verhandelt wird, ist für VW jedoch bedeutender als die vom BGH geklärte Frage, wonach es sich bei der Schummelsoftware um einen Mangel handelt. Im Falle der Sittenwidrigkeit gelten längere Verjährungsfristen – mehr Autokäufer könnten ihre Ansprüche geltend machen. Außerdem zielt die Klage nicht gegen Händler, sondern gegen den Volkswagenkonzern direkt. Und gegen den Konzern haben im Rahmen einer Musterfeststellungsklage bereits rund 400 000 geprellte Dieselkunden mobil gemacht. Das kann teuer werden.