Daimlers Dieselvergangenheit ist nicht so strahlend wie der Stern. Foto: AP/Pavel Golovkin

Beim Dieselskandal schien der Stuttgarter Autohersteller jahrelang fast unangreifbar. Doch inzwischen verschlechtert sich die rechtliche Lage von Mercedes. Ein neues Urteil des Bundesgerichtshofs fiel ebenfalls zu Ungunsten der Stuttgarter aus.

Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit muss der Stuttgarter Autohersteller Mercedes-Benz im Dieselskandal eine rechtliche Niederlage vor einer höchsten Instanz hinnehmen. Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) vor wenigen Wochen ein für Mercedes nachteiliges Urteil zur rechtlichen Bewertung von Abgasreinigungsanlagen erlassen hatte, blitzte der Autohersteller nun auch vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Sachen Diesel ab.

Kläger wollte Dieselschadenersatz

Bei den nun entschiedenen Verfahren geht es nicht um die Dieseltechnologie selbst, sondern um die Frage, unter welchen Umständen Mercedes wegen möglicherweise unzulässiger Abschalteinrichtungen verklagt werden kann. Der Kläger hatte sein Fahrzeug mittels eines Autokredits der Mercedes-Benz Bank finanziert und wollte später vom Hersteller Mercedes-Benz Schadenersatz, weil das Fahrzeug seiner Ansicht nach mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgestattet sei.

Mercedes dagegen beruft sich auf eine Klausel im Kreditvertrag, wonach zu den Kreditsicherheiten der Bank auch eine Verpflichtung des Kunden gehört, alle gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche gegen den Autobauer an die Bank abzutreten – aus welchem Rechtsgrund diese auch immer entstanden seien. Zu diesen gehörten somit auch die Schadenersatzansprüche, die der Mann geltend machen wollte.

Käufer wird zu stark benachteiligt

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hatte sich auf die Seite von Mercedes gestellt, wonach der Mann aufgrund der Klausel im Vertrag nicht klageberechtigt sei, weil er die Ansprüche wirksam abgetreten habe. Die obersten Zivilrichter vom BGH kassierten nun diese Entscheidung und erklärten, durch eine so weitreichende Klausel verschlechtere sich die Position des Käufers auf gesetzeswidrige Weise, weil er dann viele seiner Rechte gegen den Autohersteller nicht mehr geltend machen kann. Daher sei die Klausel als Ganzes unwirksam.

Dabei geht es nicht unmittelbar um den Dieselskandal, denn die Klausel erschwert den Käufern auch die Wahrnehmung anderer Rechte wie den Widerruf des Kreditvertrags, durch den dann auch der eigentliche Kauf hinfällig wird – jedenfalls dann, wenn wie hier der Kredit bei der Herstellerbank aufgenommen wird. Allerdings macht die Klausel auch Klagen gegen den Hersteller wegen des kreditfinanzierten Dieselfahrzeugs unmöglich – und genau dagegen richtete sich in diesem Fall auch die Klage.

Wollte Mercedes Kläger fernhalten?

In der Sache entschieden die Bundesrichter noch nicht. Der Fall geht nun erneut vor das OLG, wo sich Mercedes nun aber nicht mehr auf diese Klausel berufen kann, die Ansprüche von vornherein ausschließt. Mercedes habe sich mit der Klausel „offensichtlich unliebsame Klagen im Abgasskandal vom Hals schaffen“ wollen, erklärte die Lahrer Anwaltskanzlei Dr. Stoll & Sauer, die viele Dieselkläger vertritt. Mercedes erklärte, man gehe davon aus, dass das OLG die Klage weiterhin als unbegründet ansehen werde.

In den vergangenen Jahren war Mercedes im Abgasskandal vor Gericht weitgehend ungeschoren davon gekommen. Das Unternehmen musste zwar auf Druck der Behörden Hunderttausende Autos in die Werkstätten zurückrufen, weil sie auf der Straße deutlich mehr Stickoxide ausstießen als unter Laborbedingungen. Auch musste das Unternehmen im Jahr 2019 einen Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft Stuttgart von 870 Millionen Euro zahlen. Dabei ging es aber nicht um Betrug, sondern laut den Ermittlern um eine „fahrlässige Verletzung der Aufsichtspflicht in einer mit der Fahrzeugzertifizierung befassten Abteilung der Daimler AG“. Diese habe dazu geführt, dass für Dieselfahrzeuge behördliche Genehmigungen erteilt wurden, obwohl deren Ausstoß von Stickoxiden teilweise nicht den regulatorischen Anforderungen entsprach.

Weiteres Urteil sorgt für Ungemach

Ein Betrug war dem Unternehmen nie nachzuweisen, weil die Abgasanlage – anders als der Skandalmotor EA189 von VW – auf dem Prüfstand offenbar nicht anders funktionierte als auf der Straße. Sehr wohl aber war er auf die damaligen Prüfzyklen optimiert und nicht auf die viel wechselhafteren Bedingungen auf der Straße.

Auch bei der rechtlichen Beurteilung der Abgastechnik droht dem Stuttgarter Konzern nun Ungemach. Denn im März entschied der EuGH, dass Autokäufern auch dann eine Entschädigung zusteht, wenn der Hersteller eine unzulässige Abgastechnik nicht absichtlich, sondern fahrlässig eingesetzt hat. Auch Mercedes nutzte sogenannte Thermofenster, durch die die Abgasanlage insbesondere bei niedrigen Temperaturen gedrosselt wird. Bereits im vergangenen Jahr hatten die Luxemburger Richter entschieden, dass es unzulässig ist, die Abgasanlage schon bei Temperaturen zu drosseln, die in Europa über einen großen Teil des Jahres anzutreffen sind.

Acht Jahre nach der Aufdeckung des Dieselskandals bei VW wird der Boden nun auch für Mercedes dünner – unabhängig davon, dass es bisher keine Anzeichen für die Nutzung von Betrugssoftware gibt.