Mit Manipulationen an Dieselmotoren hat sich die Abwärtsspirale in Gang gesetzt. Foto: dpa

Immer mehr Aktionärsgruppen wollen bei dem Wolfsburger Autokonzern eine Sonderprüfung durchsetzen. Im Fokus steht das Verhalten der Konzernspitze im Dieselskandal. In vier Wochen ist Hauptversammlung.

Frankfurt - Es ist zwar noch vier Wochen hin, aber das Management und der Aufsichtsrat von Volkswagen müssen sich in diesem Jahr wohl besonders intensiv auf die Hauptversammlung vorbereiten. Immer mehr Anteilseigner wollen das Verhalten der Konzernspitze im Dieselskandaldurch einen unabhängigen Prüfer untersuchen lassen. Nach der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) kündigte am Montag auch der einflussreiche Aktionärsberater Hermes EOS für die VW-Hauptversammlung am 22. Juni einen Antrag auf Sonderprüfung an. Hermes-Manager Hans-Christoph Hirt will erreichen, dass ein externer Prüfer der Frage nachgeht, ob bei Volkswagen die Grundsätze guter Unternehmensführung eingehalten werden. Dabei soll auch die Rolle der Hauptaktionäre unter die Lupe genommen werden. Die Mehrheit der VW-Stimmrechte liegt in Händen der Familien Porsche und Piëch, die über die Porsche Holding gut 52 Prozent der Stimmrechte an dem Wolfsburger Konzern halten.

Nach Ansicht von Hermes gibt es im VW-Aufsichtsrat nicht ausreichend unabhängige Vertreter. Der Prüfer soll die Zusammensetzung und Effizienz des Aufsichtsrats untersuchen und einer möglichen Haftung von Vorständen und Aufsichtsratsmitgliedern für den Skandal nachgehen. Der Aktionärsberater vermutet, dass Volkswagen die Anleger zu spät über den Abgasskandal informiert hat. Das könnte für mögliche Schadenersatzforderungen wichtig werden. Hermes berät große Aktionäre wie Investmentfonds und stimmt in deren Auftrag auf Hauptversammlungen börsennotierter Unternehmen ab. Schon auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank in der vergangenen Woche hatten Hirt und andere Aktionärssprecher beklagt, dass die VW-Vorstände mit Genehmigung des Aufsichtsrats trotz des Milliardenschadens an ihren Bonuszahlungen festhalten, während die Manager der Deutschen Bank (knapp sieben Milliarden Euro Verlust) darauf verzichteten.

Es wird geprüft, ob genügend Rückstellungen gebildet sind

Auch die Schutzvereinigung DSW hat einen Antrag auf Sonderprüfung angekündigt. Sie will feststellen lassen, ob die von Volkswagen gebildeten Rückstellungen für Strafzahlungen oder zivilrechtliche Ansprüche ausreichend sind. Zudem will die DSW klären lassen, ob die Kontrollmechanismen von VW mittlerweile so justiert sind, dass sich solch ein Skandal nicht wiederholen kann. Alle VW-Aktionäre, die eine solche Sonderprüfung für sinnvoll halten, sollten sich dem Antrag anschließen, sagte DSW-Vizepräsident Klaus Nieding. Die Ergebnisse sollte VW dann seinen Anteilseignern im Vorfeld der Hauptversammlung 2017 zur Verfügung stellen. Die Klärung der offenen Fragen sei für die Aktionäre von großer Bedeutung. Sollten etwa die Rückstellungen für Strafzahlungen oder mögliche zivilrechtliche Ansprüche zu niedrig sein, hätte das gravierenden Einfluss auf das Ergebnis des Konzerns, sagte DSW-Präsident Ulrich Hocker.

Immer mehr Aktionärsschützer wollen Vorstand und Aufsichtsrat die Entlastung verweigern – und werfen dem Aufsichtsrat Versagen in mehrfacher Hinsicht vor. Auch Christian Strenger, das ehemalige Mitglied der Corporate-Governance-Kommission, die Grundsätze für gute Unternehmensführung vorschlägt, will mehr Aufklärung. Zudem ist Strenger Aufsichtsrat bei der DWS, der Fondsgesellschaft der Deutschen Bank, und berät ausländische Pensionsfonds, die bei Volkswagen investiert sind. Strengers Urteil über den VW-Aufsichtsrat und dessen Vorsitzenden Hans-Dieter Pötsch fällt verheerend aus: Der Aufsichtsrat habe „maximal drei unabhängige Mitglieder“, das Gremium habe seine Pflichten „evident verletzt“. Zudem habe es die Bezüge der VW-Vorstandsmitglieder trotz des Abgasskandals und des für VW desaströsen Jahrs „nicht wirklich reduziert, sondern vermutlich sogar erhöht“. Pötsch habe schon als Finanzvorstand wiederholt versprochen, Volkswagen werde die Governance-Strukturen verbessern, sagte Strenger gegenüber „Manager Magazin online“. „Verändert hat sich nichts.“ Die Unzufriedenheit vor allem ausländischer Investoren mit der mangelnden Kontrolle und der fehlenden Bereitschaft zu Veränderungen bei Volkswagen wachse, sagte Strenger.

Der Ärger der Aktionäre wird kaum Auswirkungen haben

Der Ärger der Aktionäre wird allerdings aufgrund der bestehenden Mehrheitsverhältnisse keine direkten Auswirkungen haben. Dennoch sind viele Experten davon überzeugt, dass VW nach einem deutlichen Misstrauensvotum nicht einfach zur Alltagsroutine übergehen könne. Es sei an der Zeit, dass die Volkswagen-Spitze ein klares Signal setze, dass sie die Vorgänge ernst nehme und neue Wege gehen wolle, heißt es in Aktionärskreisen.

Volkswagen hatte nach Bekanntwerden der Manipulationen von Abgaswerten im Oktober die US-Anwaltskanzlei Jones Day mit einer Untersuchung beauftragt. Eigentlich wollte VW schon im April einen ersten Zwischenbericht veröffentlichen, verschob den Termin aber auf unbestimmte Zeit. Im September hatte Volkswagen nach Ermittlungen in den USA eingeräumt, bei Umwelttests von Dieselfahrzeugen die Abgaswerte manipuliert zu haben. Die verbotene Software in den Wagen bewirkt, dass bei den Tests ein niedrigerer Schadstoffausstoß gemessen wird, als er im Normalbetrieb entsteht. Sie wurde weltweit in elf Millionen Dieselfahrzeuge eingebaut.