Die Dieselmotoren von Volkswagen beherrschen die Schlagzeilen. Schummel-Software ist aber auch in Modellen anderer Marken eingebaut. Foto: dpa

Die Beliebtheit von Dieselmotoren im Landkreis sinkt deutlich. Das Verkehrsministerium schließt Fahrverbote außerhalb von Stuttgart nicht aus. Immer mehr Gerichte urteilen, dass Autos mit Schummelsoftware zurückgegeben werden dürfen.

Böblingen - Die Debatte über die Diesel-Fahrverbote in Stuttgart schlägt sich bei den Gebrauchtwagenpreisen und in der Zulassungsstatistik nieder. Laut KFZ-Innung sank binnen zwölf Monaten das Interesse an Neuwagen mit Dieselantrieb im Landkreis Böblingen um 15 Prozent. Die Nachfrage nach gebrauchten Selbstzündern ging um fünf Prozent zurück. Mit Ausnahme des Rems-Murr-Kreises litt die Beliebtheit des Dieselmotors in der gesamten Region Stuttgart.

Die Zahlen „zeigen, wie tief das Misstrauen gegenüber der Verlässlichkeit der Politik ist“, sagt Torsten Treiber, der Obermeister der regionalen Kfz-Innung. Schließlich würden selbst Autos, die vor anderthalb Jahren noch als sauber galten, mit Fahrverboten belegt. Dass die Hersteller, allen voran VW, mit Schummel-Software tricksten, dürfe nicht Autofahrern angelastet werden. Dieselfahrer „sind momentan die gelackmeierten“, sagt Treiber und sieht die Politik in der Pflicht, Schaden abzuwenden. Schon allein wegen der Diskussion um die Blaue Plakette hatte die Innung gewarnt, dass der Selbstzünder nicht nur Image, sondern auch an Wert verliere.

Die DAT mahnt Dieselfahrer, nicht in Panik zu verfallen

Zwar mahnt die in Ostfildern ansässige Deutsche Automobil Treuhand, kurz DAT, Dieselbesitzer mögen ob der Fahrverbote nicht in Panik verfallen. Ob die Gebrauchtwagenpreise abstürzen, sei unvorhersehbar. Aber die Furcht vor Wertverlust könnte wachsen, denn dicke Luft herrscht nicht nur in Stuttgart. Feinstaub spielt außerhalb des Talkessels zwar kaum eine Rolle, aber überhöhte Stickoxidwerte melden auch Böblingen, Herrenberg oder Leonberg – beispielsweise. Laut Verkehrsministerium sind landesweit 30 Städte betroffen.

Weshalb das Ministerium weitere Fahrverbote zumindest nicht ausschließt. In Stuttgart bestehe „erhöhter Handlungsbedarf“, lässt die Pressesprecherin Julia Pieper wissen. „Im nächsten Schritt sind die übrigen Luftreinhaltepläne zu prüfen.“ Wie die Grenzwerte in anderen Städten eingehalten werden können, müsse im Einzelfall entschieden werden. Der überarbeitete Luftreinhalteplan für Stuttgart war die Grundlage der Fahrverbote. Die Selbstzünder sind Hauptverursacher überhöhter Stickoxid-Konzentrationen.

Zumindest Eigentümer von Dieselautos mit Betrugssoftware können versuchen, einen möglichen Wertverlust auf einfache Art auszuschließen: indem sie ihre Wagen schlicht an den Händler zurückgeben und ihr Geld zurückverlangen. Dafür dürfen sie in aller Regel den Gang vor Gericht nicht scheuen, aber der Versuch ist keineswegs aussichtslos. Immer mehr Gerichte bundesweit urteilen, dass die Händler oder gleich die Hersteller zur Rücknahme verpflichtet sind.

Das Landgericht spricht einem Tiguan-Fahrer eine Neuwagen zu

In der Region Stuttgart ist der Wille noch wenig verbreitet, die Verursacher des Abgasskandals in Haftung zu nehmen. Zwei entsprechende Urteile hat das Landgericht Stuttgart gefällt. Das eine betrifft die Rechtsschutz-Sparte der WGV. Die Versicherung weigerte sich, die Kosten für die Klage eines Dieselfahrers auf Rückgabe zu übernehmen. Sie sei ohne Aussicht auf Erfolg. Die Richter hielten das Gegenteil für richtig. Der Versicherer muss zahlen. Im zweiten Fall entschied das Landgericht, dass VW einem Tiguan-Fahrer sein Schummelsoftware-Auto gegen ein neues Modell eintauschen muss.

Die Richter verwiesen auf Urteile von Kollegen in ganz Deutschland. Bemerkenswerterweise sind die Diesel-Fahrer andernorts klagefreudiger als in der einzigen Region mit einem Fahrverbot. Die Stiftung Warentest listet mehr als 60 Urteile zu Gunsten von VW-Fahrern auf.

Manches Urteil ist mit harschen Worten begründet

In mancher Begründung stehen harsche Worte. Das Landgericht Krefeld verurteilte einen Audi-Händler, einen A 6 zurückzunehmen und den Preis von 44 200 Euro zu erstatten, abzüglich 4100 Euro für zweieinhalbjährige Nutzung. Die Richter bescheinigten Audi „erwiesene Unzuverlässigkeit“. Eine Nachbesserung sei dem Autokäufer wegen der Gefahr „neuerlicher Täuschungsversuche“ unzumutbar. Das Landgericht Hildesheim warf dem VW-Konzern vor, Autokäufer „in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt“ zu haben. Außerdem bezweifelten die Richter, dass „angeblich immer noch keine Ergebnisse der angeblich durchgeführten Untersuchung“ der Hintergründe des Skandals vorliegen.

Der Düsseldorfer Anwalt Tobias Ulbrich hat sich auf die Diesel-Rückgabe geradezu spezialisiert. Seine Kanzlei vertritt mehr als 1500 Mandanten, nicht nur Fahrer von Autos aus dem VW-Konzern. Auf der Liste stehen Modelle 15 weiterer Fabrikate. Zwar urteilten Gerichte auch gegenteilig, aber „das war sittenwidriger Betrug“, sagt Ulbrich. „Ich bin sicher, dass sich diese Rechtsauffassung durchsetzt.“