Auf dem Diesel-Gipfel wollen Politiker und Vertreter der Auto-Industrie eine Lösung finden. Foto: dpa

Auf dem Diesel-Gipfel will die Politik die Autohersteller dazu bringen, ihre Diesel so sauber zu machen, dass keine Fahrverbote nötig sind. Hier sind die wichtigsten Fakten.

Berlin - Mitten in der Sommerpause trifft sich am 2. August in Berlin das halbe Kabinett mit neun Ministerpräsidenten, mehreren Verbands- und Gewerkschaftschefs und den wichtigsten Autobossen der Republik. Ihr Auftrag: Sauberere Luft in den Städten ohne Fahrverbote für Diesel zu erreichen. Das ist die Quadratur des Kreises.

Was ist der Diesel-Gipfel?

Offiziell heißt die Veranstaltung, die die Bundesregierung vor einigen Wochen auf die Agenda gesetzt hat, Nationales Forum Diesel. Es ist ein waschechter Krisengipfel, der das Kunststück fertig bringen soll, die Luftqualität in den Städten zu verbessern, ohne Fahrverbote gegen die in Misskredit geratenen Diesel-Autos auszusprechen. Außerdem soll verloren gegangenes Vertrauen in die Automobilindustrie und die Verlässlichkeit der Politik wieder herzustellen. Das wird schwer, nach all den Nachrichten über illegale Abschalteinrichtungen bei VW, nach den Berichten über massenhafte Grenzwertüberschreitung beim Ausstoß von Stickoxiden bei anderen Fahrzeugen, dem Verdacht, dass weitere Hersteller bei der Abgasreinigung ebenfalls getrickst haben könnten und den zuletzt im „Spiegel“ erhobenen Vorwürfen, dass es zu illegalen Kartellabsprachen über technische Entwicklungen der fünf großen Autohersteller in Deutschland gekommen sei.

Wann findet er statt?

Getagt wird am kommenden Mittwoch im Bundesverkehrsministerium in Berlin. Los geht es um 11.30 Uhr und die Beamten, die das Gespräch vorbereiten, müssen Optimisten sein: Sie haben schmale zwei Stunden für das Gespräch angesetzt. Danach soll es eine Pressekonferenz geben, auf der die Ergebnisse vorgestellt werden. Gastgeber ist Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) nicht allein – er ist mit Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) im Duo dafür zuständig, eine Lösung hinzukriegen.

Unser Video zeigt die zehn wichtigsten Fakten zu Feinstaub und Stickoxiden in Stuttgart:

Wer bei den Verhandlungen mitmischt

Wer ist dabei?

Neben den gastgebenden Ministern Dobrindt und Hendricks sind auch Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) und Forschungsministerin Johanna Wanka (CDU) mit am Tisch. Hinzu kommen die Ministerpräsidenten der Länder, die wegen ihrer Automobil-Standorte besonders betroffen sind: Winfried Kretschmann (Grüne, Baden-Württemberg), Horst Seehofer (CSU, Bayern), Stefan Weil (SPD, Niedersachsen), Volker Bouffier (CDU, Hessen), Armin Laschet (CDU, Nordrhein-Westfalen), Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU, Saarland) und Malu Dreyer (SPD, Rheinland-Pfalz). Mit dabei sind auch der deutsche Städtetag und der Regierende beziehungsweise Erste Bürgermeister von Berlin Michael Müller (SPD) und Olaf Scholz (SPD, Hamburg), weil die Luftqualität der Großstädte besonders unter den schädlichen Abgasen – vor allem Stickstoffdioxid (NOX) - leiden. Eingeladen sind die Vorstandsvorsitzenden von BMW, Daimler, Ford, Opel und VW sowie der Verband der Automobilindustrie, der Verband der internationalen Kraftfahrzeughersteller sowie Spitzen-Vertreter der Arbeitgeber und der IG Metall. Die Anwesenheitsliste wird sich lesen wie ein „Who is who“ aus Politik und Automobilbranche. Bemerkenswert: Das Kanzleramt ist nicht dabei, lässt sich aber, so wurde im Vorfeld mitgeteilt, fortlaufend informieren.

Was ist das politische Ziel des Treffens?

Viele Diesel-Fahrzeuge überschreiten im realen Straßenverkehr die Grenzwerte für den Schadstoffausstoß – vor allem beim gesundheitsschädlichen Stickoxid. Nicht bei allen Fahrzeugen stecken illegale Machenschaften dahinter, wie sie bei VW nachgewiesen worden sind. Fakt ist aber, dass die vorgeschriebenen Schadstoffmessungen auf dem Prüfstand weit unter den Emissionen im realen Straßenverkehr bleiben. Deshalb gibt es in vielen Städten an vielen Tagen eine massive Grenzwertüberschreitung – im Stuttgarter Talkessel sind sie notorisch. Beim Diesel-Gipfel sollen nun erstens Software-Updates für eine schadstoffärmere Motorensteuerung von Millionen Diesel-Fahrzeugen mit Euro-5 und Euro-6-Norm vereinbart werden, damit die Belastung sinkt. Dass das ausreicht, nimmt – zumal nach dem Fahrverbots-Urteil des Stuttgarter Verwaltungsgerichts vom Freitag – niemand an. Umweltministerin Hendricks setzt auf echte technische Nachrüstungen an Getriebe und Motoren, um den Schadstoffausstoß zu dämpfen. Verkehrsminister Dobrindt will ebenfalls so weit wie möglich den Schadstoffausstoß an der Quelle – also am einzelnen Fahrzeug – so weit wie möglich reduzieren und plant darüber hinaus ein Paket, das den Verkehr flüssiger und Parkplatz-Suchverkehr durch intelligente, elektronische Steuerungssysteme verringern soll. Die Bundesregierung strebt eine deutschlandweite, allgemeingültige Regelung unter einem Dach und möglichst ohne Fahrverbote an.

Macht und Ohnmacht der Politik liegen bei dem Thema nah beieinander

Wie sind die Aussichten für einen Erfolg des Gipfels?

Für einen Erfolg spricht, dass Autohersteller nach den ganzen Skandalen mächtig unter Druck sind, schnelle Problemlösungen anzubieten, sonst bricht der Diesel-Absatz weiter ein. Auch die Bundesregierung braucht eine Lösung, weil viele Autokäufer sich getäuscht sehen und den Argwohn haben, dass die Politik mit der wichtigen Branche in der Vergangenheit zu sehr gekungelt hat. Außerdem haben viele Länder und Städte Interesse an besserer Luft – und an einer erfolgreichen Autoindustrie, deren Arbeitsplätze erhalten bleiben. Gegen einen Erfolg spricht, dass die technischen Optionen zur Nachrüstung über die relativ einfachen Software-Updates hinaus, aufwendig und teuer sind und unerwünschte Nebenwirkungen für Spritverbrauch, Motorleistung und Lebensdauer haben können. Dagegen spricht auch, dass im Wahlkampf zur Bundestagswahl die Einigung auf eine durchschlagende politische Lösung unwahrscheinlich ist.

Wieso zeigt die Politik den Autobossen nicht einfach die Zähne?

Die Atmosphäre ist mehr als angespannt, das einstige Vertrauen der Politik in die technische Leistungsfähigkeit und Rechtstreue der Autobauer ist ziemlich erodiert. Hört man sich in Regierungskreisen um, würde derzeit niemand die Hand dafür ins Feuer legen dafür, dass nicht noch weitere Rechtsverstöße und schmutzige Tricks ans Licht kommen werden. Allerdings ist die Autoindustrie nach wie vor eine so wichtige Industriebranche in Deutschland, dass der Erfolg der Volkswirtschaft und der gesamtgesellschaftliche Wohlstand erheblich von ihr abhängt. Dass BMW, Daimler und Co weiterhin Autos in alle Welt verkaufen, ist deshalb im Interesse aller, die beim Diesel-Gipfel am Tisch sitzen.