Angela Merkel will Diesel-Fahrer nicht belasten. Foto: dpa

In vielen Städten drohen Diesel-Fahrverbote, weil die Luft zu schlecht ist. Nach Verhandlungen mit der Autoindustrie über ein Maßnahmenpaket kommt es nun darauf an, ob die Regierung eine gemeinsame Linie findet.

Berlin - In der Dieselkrise wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Fachminister am Freitag über eine gemeinsame Linie der großen Koalition beraten. Ziel ist es, Fahrverbote in mehreren deutschen Städten abzuwenden. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, pocht Kanzlerin Angela Merkel (CDU) darauf, dass betroffene Diesel-Fahrer nicht durch die Kosten einer Umrüstung belastet werden.

Das Treffen soll nach dpa-Informationen am Mittag (13.30 Uhr) im Kanzleramt beginnen. Ob schon eine Einigung auf ein Paket erreicht und bekannt gegeben werden kann, war offen. Vor allem die SPD pocht auf umfangreiche technische Nachrüstungen, also Umbauten am Motor. Am Montag wollen sich die Spitzen von CDU, CSU und SPD auch bei einem Treffen des Koalitionsausschusses damit befassen.

Im Kern geht es um ein mögliches Programm zum Rückkauf älterer Diesel durch die Hersteller, höhere Prämien für Autobesitzer, die alte Diesel abgeben und dafür sauberere Wagen kaufen sowie Umbauten an Motoren. Diesel-Abgase sind ein Hauptverursacher für die Schadstoff-Belastung in Städten, besonders in Großstädten drohen Fahrverbote für ältere Diesel.

Konkrete Vorschläge auf dem Tisch

Von Autobauern liegen konkrete Vorschläge auf dem Tisch. Es gebe vor allem „sehr attraktive Tauschbedingungen“, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Donnerstag in Regierungskreisen. Teil des möglichen Maßnahmenpakets sind Umtauschprämien für Autobesitzer, die alte Diesel abgeben wollen. Ziel ist die Erneuerung der Diesel-Flotte. Zugleich aber hieß es in Regierungskreisen, es sei „alles offen“.

Wie der „Spiegel“ berichtete, versprach VW-Chef Herbert Diess Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), dass VW sich an technischen Nachrüstungen von älteren Dieselautos finanziell beteiligen wolle. Die Position der Autoindustrie ist bisher, dass solche Hardware-Nachrüstungen zu aufwendig und teuer seien. Auch Haftungsfragen sind umstritten. Daher lehnten die Hersteller diese Umbauten am Motor ab.

Aus Konzernkreisen hieß es, Volkswagen arbeite an „konkreten Lösungen“. VW sei an einer sinnvollen Lösung interessiert, um Fahrverbote zu vermeiden. Es komme nun darauf an, welche gemeinsame Position die Bundesregierung einnehme. Diese würde dann von VW bewertet. Es gebe noch keine festen Zusagen.

Scheuer verhandelt mit den deutschen Herstellern Volkswagen, Daimler und BMW. Nach seinem Konzept soll das Diesel-Rückkaufprogramm beschränkt sein auf zehn „Intensivstädte“ wie München, Stuttgart, Düsseldorf, Stuttgart oder Frankfurt sowie auf einen Umkreis von 70 Kilometern. Diese Städte haben eine hohe Schadstoff-Belastung oder viele Pendler. Auch mögliche Hardware-Nachrüstungen sollen nur für diese „Intensivstädte“ und den Umkreis gelten.

Wer übernimmt die Kosten?

Beim Einbau von Stickoxid-Katalysatoren besteht Diess laut „Spiegel“ mit Blick auf die Aktionäre seines Unternehmens jedoch darauf, nur 80 Prozent der Kosten der Nachrüstung zu übernehmen. Diese liegen pro Fahrzeug bei durchschnittlich etwa 3000 Euro. Damit lehnt er den Plan Scheuers ab, dass die Hersteller die gesamten Kosten tragen sollen.

Das Maßnahmenpaket dürfte Milliardenbeträge kosten. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte zuletzt erneut deutlich gemacht, dass es für Diesel-Nachrüstungen kein Steuergeld geben soll.

An der Beratung am Freitag im Kanzleramt nehmen nach dpa-Informationen neben Merkel und Scheuer auch Scholz sowie Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) teil.

Schulze warnte vor überzogenen Erwartungen an die Umstiegsprämien. „Es kann sein, dass der neue Euro-6-Diesel auf der Straße auch nicht weniger Stickoxide ausstößt als der zurückgegebene Euro-4- oder Euro-5-Diesel“, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Freitag). „Auf der sichereren Seite, was den Schutz vor Fahrverboten angeht, ist man nur mit dem neuesten Standard Euro-6d, der auch auf der Straße sauber ist.“ Sie sagte weiter: „Aber was mich vor allem stört, ist, dass sich nicht jeder einfach so ein neues Auto leisten kann. Darum müssen Nachrüstungen zwingend Teil der Lösung sein.“

„Zeit des Aussitzens muss vorbei sein“

Die Grünen verlangen von der Bundesregierung konkrete Entscheidungen. „Die Zeit des Aussitzens muss vorbei sein“, sagte Fraktionschef Anton Hofreiter der Deutschen Presse-Agentur. Die Menschen in den Städten bräuchten saubere Luft. Die Regierung müsse sich von ihrer Blockade-Haltung verabschieden und den „Kuschelkurs mit den Autobossen“ beenden.

Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte der dpa, die Autokonzerne hätten im vergangenen Jahr rund 40 Milliarden Euro Gewinn gemacht. „Die jetzt diskutierte Mini-Nachrüstung in 10 Städten dürfte deutlich weniger als eine Milliarde Euro kosten. Da ist es eine Frage des Anstandes, dass die Hersteller die kompletten Kosten übernehmen.“