Das Bundesverwaltungsgericht hat sein Urteil über Diesel-Verbote am Donnerstag vertagt. Foto: dpa

Anstelle der Politik ist es nun die Justiz, die über ein Diesel-Fahrverbot entscheiden muss. Unser Autor Klaus Köster findet, dass die Bundesrichter die aufgeheizte Debatte versachlichen.

Stuttgart - Dass fast alle Autohersteller gegen die guten Sitten und teilweise auch gegen Gesetze verstoßen haben, als sie Abgasmessungen zur Einhaltung der Grenzwerte von Luftschadstoffen manipulierten, lässt sich kaum bestreiten. Die Branche hat sich es daher vor allem selbst zuzuschreiben, dass vielen Menschen die Sanktionen gar nicht scharf genug ausfallen können. Milliardenstrafen und Fahrverbote gehören zu den Werkzeugen, die nicht nur die Umwelt, sondern auch die Moral von Managern entgiften sollen.

Leipzig ist weit genug entfernt von Stuttgart, um die Auseinandersetzung mit kühlerem Blick zu verfolgen. Mit diesem Blick sieht das dortige Bundesverwaltungsgericht auch, dass ein Teil der Strafen, mit denen die Autohersteller belegt werden sollen, weniger die Industrie betrifft als die Menschen, die sich zum Beispiel vor drei Jahren besten Gewissens einen nagelneuen Diesel gekauft haben. Sie dürfen nun darauf hoffen, eine gewisse Schonung zu erfahren. Das ist ein wohltuendes Stück Realismus in einer aufgeheizten Debatte.

Immer wieder müssen Richter Politik machen

Der deutsche Föderalismus wurde einst festgeschrieben, um den Missbrauch von Macht auf alle Zeiten zu unterbinden. Doch er kann auch benutzt werden, um politische Ohnmacht zu simulieren und sich um die Verantwortung zu drücken. Für die Einhaltung der EU-Grenzwerte ist gegenüber Brüssel der Bund verantwortlich, dessen Ex-Verkehrsminister Alexander Dobrindt sich aber weigerte, diese durch die Einführung einer Blauen Plakette auch wahrzunehmen. Er enthielt den Ländern die Instrumente vor, weil er mit dem Thema nichts zu tun haben wollte. Dass die Justiz die Entscheidungen treffen muss, die den dafür bestellten Politikern obliegt, ist inzwischen ja üblich geworden. Doch normal ist es nicht.

klaus.koester@stuttgarter-nachrichten.de