Taktieren um die Fahrverbote Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Die Fahrverbote für Euro-5-Diesel beruhen auf einem Uralt-Urteil, an dem die Grünen nur zaghaft rütteln wollen. Die rechtliche Lage, die bisher Fahrverbote vorsieht, führen sie selbst mit herbei.

Stuttgart - Lange Jahre hatte die Stadt Stuttgart ihren Ruf weg. Sie war bundesweit bekannt als Ort des Feinstaubalarms und der dreckigsten Kreuzung Deutschlands. 82 Mikrogramm Stickoxid enthielt ein Kubikmeter Luft am Stuttgarter Neckartor im Jahr 2016, und das ist bis heute von Bedeutung. Denn das war der aktuelle Jahresmittelwert, als das Verwaltungsgericht Stuttgart im Juli 2017 Fahrverbote in ganz Stuttgart anordnete. Mehr als drei Jahre später haben sich die Werte halbiert und liegen zeitweise sogar schon unter dem Grenzwert von 40. Doch juristisch wird immer noch über die Umsetzung eines Uralt-Urteils gestritten, dessen Datengrundlage längst entfallen ist.

Gerichte entscheiden über das, was vorgelegt wird

Es ist daher nicht nur das Recht, sondern geradezu die Pflicht der Landesregierung, auf eine Rechtsprechung hinzuwirken, die den Gerichten die Möglichkeit gibt, dieser drastischen Veränderung der Realität gerecht zu werden. Die Gerichte entscheiden schließlich nur über das, was ihnen vorgelegt wird. Doch auf Urteile hinzuwirken, die die aktuelle Entwicklung umfassend würdigen, hat die Regierung versäumt. Bereits im Jahr 2017, als das Verwaltungsgericht Stuttgart auch die nun für den 1. Juli vorgesehenen Euro-5-Dieselfahrverbote anordnete, war absehbar, dass sich die Werte deutlich verbessern würden. Doch anstatt den ordentlichen Rechtsweg von der ersten in die zweite Instanz zu gehen, bestand der grüne Teil der Regierungskoalition auf der sogenannten Sprungrevision, mit der man sich den Rechtsweg selbst abschnitt und vor allem die Chance auf ein Verfahren, das diese Entwicklung in die Betrachtung einbezieht. Deshalb erging im Jahr 2018 ein höchstrichterliches Urteil, das ein Urteil von 2017 bestätigte, welches auf den Werten von 2016 basiert.

Es hat also nichts mit einer Missachtung des Rechtsstaats zu tun, wenn der schwarze Koalitionspartner nun fordert, auf ein Aus für die Fahrverbote zu klagen und damit das einzige verbliebene Instrument zu nutzen, ein Urteil auf aktueller Basis zu erwirken. Denn es macht es einen entscheidenden Unterschied, ob der Grenzwert um 100 Prozent überschritten wird oder um 10. Dies umso mehr, als die Gerichte bereits festgestellt haben, dass auch bei Fahrverboten der für jegliches staatliche Handeln bindende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist.

Wie zwingend sind Fahrverbote?

Der grüne Teil der Regierungskoalition kommt der CDU insoweit ein Stück entgegen, als er mit der geplanten Klage gegen die Vollstreckung der Fahrverbotsurteile nun zumindest darauf hinwirken will, dass diese nicht mehr in ganz Stuttgart gelten, sondern nur noch in der kleinen Umweltzone, die aus der Innenstadt und einigen Stadtteilen besteht. Doch gerade deshalb ist es allenfalls die halbe Wahrheit, wenn das grüne Verkehrsministerium nun erklärt, man müsste leider, leider Fahrverbote vorbereiten.

Bereits im Jahr 2017 setzte sich das Verkehrsministerium vermeintlich tapfer gegen die Deutsche Umwelthilfe zur Wehr, stimmte ihr vor Gericht aber weitgehend zu und beklagte sich anschließend bitterlich über die erwartbare Niederlage. Nun gibt es erneut die rechtsstaatliche Möglichkeit, Fahrverbote zu verhindern, und wieder spielt der große Koalitionspartner der Öffentlichkeit vor, sich schweren Herzens einem Urteil zu beugen, das man durch sein Vorgehen gerade selbst herbeiführen will.

Man muss tun, was man sagt

Es gibt keine Pflicht, Fahrverbote zu verhindern. Es gibt aber durchaus die Pflicht, hinter den Kulissen das zu tun, was man vor den Kulissen verkündet. Das ist weit glaubwürdiger, als erneut Krokodilstränen herauszupressen und ein weiteres Mal eine Gerichtsentscheidung zu betrauern, an der man tatkräftig mitgewirkt hat.

klaus.koester@stuttgarter-nachrichten.de