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Er war als Manager weltweit gefragt, zuletzt als Chef von Mann + Hummel in Ludwigsburg. Nun organisiert Dieter Seipler mit 72 Jahren Diesel-Demonstrationen. Warum tut er sich das an?

Ludwigsburg - Er hat schon Fabriken in China eingeweiht, war Bereichsleiter bei Bosch, hat Firmenaufkäufe organisiert und Fabriken geschlossen: Dieter Seipler hat ein Managerleben mit einer internationalen Karriere hinter sich. Zuletzt war er Vorsitzender der Geschäftsführung des Mittelständlers Mann+Hummel in Ludwigsburg. Eigentlich könnte sich der 72-jährige aus Leonberg um seine vier Enkel kümmern, im Golfclub Monrepos sein Handicap verbessern und um die Welt reisen.

Doch Dieter Seipler hat eine Mission: Er will Fahrverbote in Ludwigsburg verhindern. Deswegen hat er vor gut einem Monat die Initiative „Pro Diesel“ gegründet und will nach dem Auftakt vergangene Woche an den nächsten sechs Freitagen zu Demonstrationen aufrufen. „Schluss mit den Lügentoten der Deutschen Umwelthilfe“, wird er alsbald wieder beim Protestzug skandieren. Doch Dieter Seipler ist kein Querulant, der nur wegen der Sorge um den Wert seines eigenen Autos auf der Straße Parolen krakeelt.

Promotion als Physiker

Der gebürtige Frankfurter ist Physiker, hat in Darmstadt promoviert. Der Titel seiner Doktorarbeit ist an Komplexität kaum zu überbieten: „Systematische Untersuchungen der elektronischen Struktur und Gadolinium-Elektronen-Spin-Resonanz in intermetallischen Verbindungen mit Cäsiumchlorid und Magnesium-Kupfer-2-Legierungen.“ Und fast hätte er ein Patent für die Wirkung der Metalle als Katalysator erteilt bekommen.

Doch ein Leben im Elfenbeinturm der Wissenschaft war Dieter Seipler zu eintönig. Sein Vater hatte eine Bäckerei, die inzwischen in dritter Generation in der Familie geführt wird – das Unternehmer-Gen hat er mit in die Wiege gelegt bekommen.

So begann Seipler 1977 bei Bosch in Reutlingen, übernahm schnell Personalverantwortung und wurde Leiter des Geschäftsbereichs Automotive-Elektronik. Zwei Jahre leitete er die Bosch-Niederlassung Spanien in Madrid und wurde 1994 Chef der größten Sparte Benzineinspritzung von Bosch in Schwieberdingen. „Wir waren die Benziner, Diesel zu fahren galt als unfein“, sagt der 72-Jährige.

Vier Jahre später kehrte er 1998 dem Technologiekonzern den Rücken und wurde Vorstandschef der Kolbenschmidt Pierburg AG, die unter dem Dach der Rheinmetall in Düsseldorf aus zwei Firmen fusioniert war. Später fuhr Seipler erstmals einen Diesel: „Der BMW 535 Biturbo hatte eine tolle Beschleunigung.“

Nach drei Jahren gab es eine Restrukturierung bei Rheinmetall, Seipler nahm 2001 ein Angebot aus Ludwigsburg an: Chef von Mann+Hummel mit damals 11 000 Arbeitsplätzen und einem Umsatz von einer Milliarde Euro. Bis zum Ruhestand im Jahr 2009 gelang es, diesen auf 1,7 Milliarden Euro zu steigern. „Meine erste Aufgabe war, den Kunststoff-Saugrohrbereich der Firma Solvay in Belgien zu integrieren“, erinnert sich Dieter Seipler. Mann+Hummel expandierte international, erschloss sich Märkte in Frankreich, USA, Brasilien und China. Mit 63 hörte Seipler auf und widmete sich dem Kochen, Reisen mit der Familie – und dem Golfspiel.

Manager bei Bosch

Der Ex-Manager kämpft gegen die Messstelle in Ludwigsburg

Schon in seiner Zeit als Manager hat sich Dieter Seipler mit Motoren und Emissionen beschäftigt. „Wir haben auf der Verkehrsinsel auf der Ludwigsburger Friedrichstraße einen Feinstaub-Sauger aufgestellt“, erzählt er. Die Kontakte in die Branche hält er bis heute und ist noch aktiv in einem Fachverband. Doch nun treibt ihn die Diskussion um Fahrverbote und Dieselkrise um. Seine These: „Die Messstelle in der Friedrichstraße ist fehlerhaft.“ Sie liege am Berg, zwischen zwei Kreuzungen mit Ampeln, sei nicht durchlüftet, weil sie in ein Gebäude eingefasst sei. Um das zu belegen, hat er sich in die dritte Bundesimmissionsschutz-Verordnung eingearbeitet: „Dort ist vorgeschrieben, dass die Messstelle repräsentativ für 100 Meter der entsprechenden Straße sein soll.“ Zudem müsse sie dort stehen, wo sich Menschen dauerhaft aufhielten – an der Friedrichstraße seien es maximal 30 Sekunden.

Parteien sind bei der Demonstration nicht erlaubt

Seipler geht es um Ludwigsburg – um die Stadt, in der er seine Berufslaufbahn beendet hat, in der er im Rotary-Club Mitglied ist und sein Freundesnetzwerk hat. „Wenn wir nicht auf die Straße gehen, werden wir nicht wahrgenommen, auch nicht von den Medien“, ist seine Erkenntnis. Von Parteien grenzt der Organisator sich ab, auch von der AfD. Bei den Demos von Pro Diesel sind keine Parteibanner erlaubt.

Politisch denkt Seipler gleichwohl. „Der grüne Verkehrsminister und die Deutsche Umwelthilfe stecken unter einer Decke“, kritisiert er. Und er zweifelt an, dass Stickoxide tatsächlich gesundheitsgefährlich sind. Allerdings hinterfragt der 72-Jährige die Debatte dazu, will Zahlen und Belege sammeln, statt Parolen zu schwingen.

Bis Mitte März wird jeden Freitag demonstriert

Was bislang ziemlich hemdsärmelig daherkommt, will Dieter Seipler bald professionalisieren. „Heute ist mein Megafon gekommen, das ich bestellt habe“, erzählt er stolz. Bei der ersten Kundgebung war seine Stimme kaum zu hören. Auch sein Nachfolger als Mann+Hummel-Chef, Alfred Weber, soll am Freitag um 16 Uhr auftreten. Bis Mitte März gibt es Freitagsproteste.

Bis dahin, so seine Hoffnung, könnte die Verhandlung über die Klage der Deutschen Umwelthilfe beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim laufen, worin über Fahrverbote in Ludwigsburg und anderen Städten entschieden werden soll: „Dann wollen wir mit der Stadt nachweisen, dass die Messstelle der Landesanstalt LUBW an der Friedrichstraße rechtswidrig ist.“

Denn bis ans Lebensende demonstrieren, das will der ehemalige Manager nun wirklich nicht. Dazu genießt er den Ruhestand und seine Hobbys zu sehr. Doch seinen fast neuen Skoda Superb, einen Euro-5-Diesel, will er noch einige Jahre fahren.