Der Stern klebt auf einer gelben Weste bei der Dieseldemo. Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt

Bei einer Demo gegen das Dieselfahrverbot in Stuttgart ist ein Teilnehmer mit „Judenstern“-Aufkleber gewesen. Die Israelitische Religionsgemeinschaft kritisiert, dass niemand dagegen eingeschritten ist.

Stuttgart - Die Weste ist gelb, der Stern auch. Das verwendete Symbol, der nachempfundene Davidstern, ist angelehnt an das diskriminierende Symbol, das zu tragen die Nationalsozialisten Juden gezwungen hatten. Dort, wo unter der Nazidiktatur „Jude“ stand, steht bei dem Demonstranten „Dieselfahrer“. Das Foto entstand auf einer Demonstration gegen das Dieselfahrverbot ab der Schadstoffklasse Euro vier am 9. März am Neckartor.

 

Ob der Mann die Weste mit dem Symbol an weiteren Veranstaltungen trug, und ob mehrere Teilnehmer ihn an der Weste hatten, ist nicht bekannt. Im Foto ist nur einer zu sehen. Jedoch ist der Aufkleber kein Unikat, sondern Massenware: Bei einem Internetversand, der auch T-Shirts, Tassen und weitere Artikel mit fragwürdigen Aufdrucken, unter anderem zu den Themen Asyl und Migration, vertreibt, ist der Stern mit der Aufschrift „Dieselfahrer“ erhältlich. Beworben wird der Aufkleber mit dem Text: „Der Dieselfahrer ist der neue Jude. Öko-Faschos und Gutmenschen machen verbal Jagd auf alle Dieselfahrer und angeblichen Verursacher von Feinstaub und des Klimawandels.“

Das Tragen des von den Nazis verwendeten Symbols ist nicht verboten

Juristisch ist das Tragen des Symbols nicht zu beanstanden. Der Davidstern ist in der von den Nazis als „Judenstern“ missbrauchten Form nicht verboten, also spricht aus rein versammlungsrechtlichen Gründen nichts dagegen, ihn zu zeigen. „Verboten sind verfassungsfeindliche Symbole“, erläutert ein Sprecher der Stadt. Gegen Geschmacklosigkeit könne die Stadt als Polizeibehörde nichts tun, auch wenn man besagten Aufkleber so einschätze.

Wer jedoch dagegen etwas tun will, ist der Initiator der Dieseldemo, der Porschemitarbeiter Ioannis Sakkaros. Seit Jahresbeginn organisiert er mit einem Team regelmäßig den Protest gegen das am 1. Januar dieses Jahres in Kraft getretene Fahrverbot für Diesel der Schadstoffklasse Euro vier und schlechter. Zwischen mehreren Hundert und bis zu 2000 Teilnehmern wurden dabei gezählt. „Wir haben den Mann mit dem Stern an der Weste nicht gesehen. Meine Ordner sind am Demorand, und ich bin nach der Rede hinter der Bühne noch beschäftigt. Wenn er irgendwo mittendrin stand, dann konnten wir ihn nicht entdecken“, sagt Sakkaros. Wenn seine Kollegen vom Orgateam und er jemanden mit diesem Symbol sehen würden, würden sie ihn auffordern, das zu entfernen: „Das geht nicht auf unserer Demo“, stellt der 26-jährige Stuttgarter klar.

Bei der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) ist man ebenfalls der Ansicht, dass so ein Symbol nichts auf Demos verloren hat: „Es wurden sechs Millionen Menschen grundlos umgebracht – Frauen, Männer, Kinder. Hierfür steht der gelbe „Judenstern“, den die Menschen damals auf ihre Kleider aufnähen mussten und der sie weitgehend schutzlos der Willkür der nichtjüdischen Mitbürger ausgeliefert hat“, sagt die Vorstandsvorsitzende der IRGW, Barbara Traub. Auch hier in Stuttgart sei das so gewesen. „Diesen Stern auf Stuttgarter Straßen auf Demos wieder zu finden, das ist Ausdruck einer unglaublichen Geschichtsvergessenheit und zeigt, wie wichtig geschichtliche Bildung ist. Und an die anderen Mitdemonstranten, die dies beobachtet und nichts dazu gesagt haben, der Hinweis, dass Zivilcourage schon im Kleinen beginnt“, ergänzt Traub.