Dimitri Grubert in guten Tagen: Er zeigt Pfeife und Film aus dem „Titanic-Film Foto: Petsch

Dimitri Gruberts Lebenswerk ist verschwunden. Fast 20 Jahre lang hat er alles gesammelt, was mit der Titanic zu tun hat. Requisiten aus dem Film wie das Kleid von Kate Winslet, aber auch Originalstücke vom Meeresgrund. Jetzt hat man seine Wohnung ausgeräumt und alles mitgenommen.

Stuttgart - Ein Bett, zwei Barhocker und einen Tisch hat er. Mehr nicht. „Ich richte mich erst wieder ein“, entschuldigt sich Dimtri Grubert (32) für die Ödnis in seiner neuen Wohnung in Möhringen. „Es ist alles weg oder kaputt“, sagt er, „stellen Sie sich vor, die haben sogar meine Socken und Unterwäsche mitgenommen.“

Grenzenlose Naivität?

Er spricht ohnehin leise, kaum ist er zu verstehen, als er von den verwüsteten Räumen in der alten Wohnung in der Elisabethenstraße im Stuttgarter Westen berichtet; seine Stimme zittert, als er von den leeren Vitrinen erzählt, die einst seine Titanic-Schätze beherbergten; „sogar die Fotos mit meinem Ex-Verlobten sind verschwunden“, murmelt er, weint und schluchzt: „Ich wollte helfen, aber ich bin so dumm.“

Seine Geschichte ist nicht nur die Geschichte eines Einbruchs, es ist die Geschichte schier grenzenloser Naivität – und eine Geschichte, die Rätsel aufgibt.

Doch fangen wir von vorne an. Vor einigen Monaten hat Dimitri Grubert noch als Krankenpfleger in einer psychiatrischen Klinik gearbeitet. Dabei lernte er eine Patientin kennen, die entlassen werden sollte, aber weder Arbeit noch Unterkunft hatte. Also nahm Grubert sie auf. „Das war eine Riesenblödheit, dass ich sie reingelassen habe“, sagt er heute. Die Frau warf so ziemlich alles ein, was einen zudröhnt. Alsbald holte sie ihren Freund in die Wohnung, sie machten sich breit, leerten erst den Medikamentschrank, dann den Kühlschrank.

"Gäste" tauschten das Schloss aus

„Ich habe ihnen sogar noch Geld gegeben, dass sie sich was zum Essen kaufen können.“ Eines Tages kam Grubert von der Arbeit, wollte die Tür öffnen, doch der Schlüssel passte nicht mehr ins Schloss. „Die haben das Schloss ausgetauscht.“ Er kam nicht mehr in seine Wohnung. Auch sein Vermieter und die Polizei konnten nicht helfen. „Ich habe an die Tür geklopft, ich habe vor dem Haus gewartet, ich war andauernd bei der Polizei, das hat alles nichts genutzt.“ Als nach Monaten die Räumungsklage schließlich erfolgreich war, brach man die Tür auf.

Das Pärchen war fort, und mit ihm die Habseligkeiten von Grubert und seine Sammlung. Welchen Wert sie hat, könne man kaum beziffern, sagt er. Mindestens 50 000 Euro, schätzt er. Aber für ihn hat sie einen Wert, der weit über das Materielle hinausgeht. Seit er mit 14 Jahren den Film „Titanic“ von Regisseur James Cameron gesehen hat, steckte er all sein Geld in seine Sammlung.

Als Schüler ging er Zeitungen austragen, um sich sein Hobby finanzieren zu können. Dann machte der gebürtige Kasache, der mit drei Jahren nach Deutschland kam, eine Ausbildung zum Krankenpfleger – natürlich auf einem Schiff, der Queen Mary 2. Dem Flaggschiff der Reederei Cunard Line, deren Carpathia als erstes Schiff den Überlebenden der Titanic zu Hilfe kam.

Und damit Teil der Legende wurde. Am 15. April 1912 sank die Titanic während der Jungfernfahrt nach New York im Atlantik, nachdem sie einen Eisberg gerammt hatte. Von den 2208 Passagieren und Mannschaftsmitgliedern an Bord überlebten nur 704 Menschen.

„Ich will, dass die Titanic nie vergessen wird"

Die Tragödie beschäftigt die Menschen seitdem. Bücher und Filme gibt es zuhauf. „Ich will, dass die Titanic nie vergessen wird“, sagt Grubert. So zeigte er immer wieder seine Fundstücke, etwa 2012 im SI-Zentrum. Seine Sammlung war begehrt und exquisit. Üppig verdiente er als Krankenpfleger nicht, aber was er hatte, das gab er für seine Leidenschaft aus. So zahlte er 9000 Euro für das Kleid, das Kate Winslet im Film trug, als die Titanic unterging. Die Schauspielerin hat ihm in Berlin erzählt, dass sie die Kleider aus „Titanic“ nie wieder tragen wolle, weil sie so schmal geschnitten seien und sie darin so gefroren habe.

Er hatte auch die Schwimmweste von Winslet und die Pfeife, die sie vor dem Tod rettete, sowie eine „auf 50 Stück limitierte Nachempfindung“ des Herzens des Ozeans, jenem Diamanten, der eine zentrale Rolle im Cameron-Film spielt.

Neben den Requisiten besaß er aber auch Originalstücke von der Titanic. Etwa einen Teil der Außenhaut – eingeschweißt in Kunstharz – sowie Kohle der Titanic vom Meeresgrund. Sein wohl wertvollstes Stück war eine gemusterte Fliese aus Laminat. Um sie zu kaufen, hatte er seinerzeit einen Kredit aufgenommen. Sie stammt von der Titanic, wurde aber nicht vom Meeresgrund geborgen. Denn sie ging nie mit auf die Jungfernfahrt des Dampfers. Weil sie dem Direktor der White Star Line nicht gefielen, wurde ein Teil der Fliesen aus dem Raucherzimmer der ersten Klasse ausgetauscht.

Grubert hat eine jener Fliesen dem Historiker Claes-Göran Wetterholm abgekauft. „Für die Fliese hätte man sich einen schicken Wagen kaufen können“, sagt er. Doch Geld ist zweitrangig. Ein anderer Wert wiegt schwerer: Millvina Dean, die letzte Überlebende des „Titanic“-Unglücks, hatte ihm die Fliese bei einem Treffen signiert.

All diese Schätze sind nun verschwunden. Wer sie hat? Da rätseln Grubert und die Polizei. Das Pärchen ist mittlerweile gefasst, die Frau sitzt in de Psychiatrie, der Mann im Gefängnis. Beide behaupten aber, sie hätten mit dem Verschwinden der Sammlung nichts zu tun. Wie überhaupt die Preziosen ohne die dazugehörigen Zertifikate für Sammler nicht interessant und damit nicht zu verkaufen sind. Und die Papiere hat Grubert noch. Das ist alles, was ihm von seiner Sammlung geblieben ist. Für ihn ist die Titanic ein zweites Mal untergegangen.