Joachim Wannenwetsch von der Polizei steht in der Wohnung des Hausmeisters, der über Jahre 25 Tonnen Büromaterial aus dem Rathaus gestohlen hat. Foto: Peter-Michael Petsch

Verwaltungsbürgermeister Wölfle kündigt interne Klärung an – Unbequeme Fragen an Stadtkämmerei.

Stuttgart - Ein diebischer Hausmeister, der über Jahre im Stuttgarter Rathaus ein Warenlager in Kaufhausgröße verschwinden ließ, bringt nun die Stadtspitze in die Bredouille. Die weiß bisher nicht, welche Konsequenzen sie aus der Tatsache ziehen soll, dass über Jahre Geräte, Büro- und Arbeitsmaterialien im Wert von mehreren Hunderttausend Euro verschwinden, ohne dass dies bemerkt wurde. Der 69-Jährige, seit 2007 pensioniert, war nach einem anonymen Hinweis aufgeflogen. Die Polizei stellte in seinem Haus 25 Tonnen Diebesgut sicher.

Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) hat eine interne Untersuchung darüber angekündigt, ob es womöglich Mitwisser gab. „Jetzt wissen plötzlich viele etwas über den Mitarbeiter zu berichten“, schimpft Wölfle, „haben aber vorher nichts gesagt.“ Es sei zwar keine gute Kultur, hinter jedem Verschwinden von Gegenständen gleich eine Straftat zu vermuten und Verdächtige zu denunzieren. „Es darf aber auch keine Zuschauer geben, die schweigen“, sagte Wölfle unserer Zeitung. Dazu sollen unter anderem auch die einstigen Vorgesetzten befragt werden.

„Extrem untypischer Dieb“

Für den Verwaltungsbürgermeister steht fest, dass der von 1983 bis 2007 im Rathaus beschäftigte Hausmeister aus einer krankhaften Veranlagung heraus zu einem „extrem untypischen Dieb“ geworden ist. Bei der Arbeit der 13.000 städtischen Mitarbeiter sei Vertrauen eine wichtige Grundlage – dazu gehöre aber auch die Kultur, nicht wegzusehen. „Für Zuschauer habe ich kein Verständnis“, so Wölfle.

Relativiert hat OB-Sprecher Markus Vogt seine ursprüngliche Aussage, dass ein Diebstahl in dieser Form, über Jahre und in Mengen unter der Wahrnehmungsgrenze, kaum zu verhindern sei. „Das muss man sich bei manchen Posten schon genau anschauen“, erklärte Vogt am Dienstag. Denn es verschwand nicht nur Kopierpapier.

Unbequeme Fragen an Stadtkämmerei

750 originalverpackte Schließzylinder beispielsweise kosten nach Schätzung der Polizei etwa 60.000 Euro – und hätten vermisst werden müssen. Der Hausmeister hatte außerdem palettenweise Waren, vom Handtuch bis zu Leuchtstoffröhren , mitgehen lassen. Sogar Kupplungen und Spritzdüsen für Feuerwehrschläuche waren dabei. „Wir müssen das nachvollziehen und klären“, kündigt Vogt an.

Die Beschaffung solcher Materialien erfolgt laut OB-Sprecher nicht zentral, jedes Amt habe dazu ein eigenes Budget, so Vogt. Der Hausmeister war jahrelang für das Rathaus zuständig, arbeitete die letzten Dienstjahre für die Stadtkämmerei. Dort gibt es nun unbequeme Fragen.

Dabei sind die Dimensionen des Falls offenbar noch größer. Der 69-Jährige hat in seinem Haus in einem Teilort von Vaihingen/Enz (Kreis Ludwigsburg) noch weitere Waren gelagert. Palettenweise Muster-Parfüms oder verpackte Zahnbürsten können wohl kaum aus Beständen des Rathauses stammen. Die Ermittlungen dauern an.