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Ein Mann muss wegen mehrerer Diebstähle in Oberhausen, Karlsruhe und Leonberg in Haft. Seine Identität ist unklar, er stammt wohl aus Nordafrika, gibt sich aber als Flüchtling aus Syrien aus.

Böblingen - Die Glückssträhne eines Leonbergers währte nur kurz. Rund 700 Euro hatte der 35-Jährige in einer Nacht an einem Spielautomaten gewonnen. Doch weil er bei der Siegesfeier in einer Kneipe zu auffällig mit den Scheinen wedelte, war er das Geld schnell wieder los. Ein junger Mann am Nachbartisch lockte den betrunkenen Gewinner und dessen ebenfalls alkoholisierten Freund ins Freie, um mit ihnen einen Joint zu rauchen. „Plötzlich tänzelte er um mich herum. Dann sagte er, er habe etwas vergessen, und rannte davon. Und ich bemerkte, dass mein Geld weg war“, schilderte das Opfer nun vor dem Böblinger Amtsgericht den Vorfall vom November 2014.

Diese Masche des sogenannten Antanzens ist seit den Ereignissen der Silvesternacht in Köln, als Hunderte junger Männer, vorwiegend aus dem nordafrikanischen Raum, junge Frauen sexuell belästigten und bestahlen, nun in ganz Deutschland bekannt. Auch der Dieb stammt vermutlich aus dem Maghreb, gibt sich jedoch als syrischer Kriegsflüchtling aus. Mit fünf verschiedenen Identitäten – jeweils leicht abgewandelten Namen sowie diversen Geburtsdaten – ist er seit etwa zwei Jahren in Deutschland unterwegs und bestiehlt Passanten auf der Straße ebenso wie Kriegsflüchtlinge in Asylunterkünften.

Für sechs Diebstähle, die er im nordrhein-westfälischen Oberhausen, in Karlsruhe sowie in Leonberg verübte, wurde der junge Mann nun zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Und obwohl er als Ersttäter vor dem Gericht stand, erhielt er keine Bewährung, sondern muss die Strafe absitzen. „Wir sehen keine günstige Prognose für Sie“, sagte der Vorsitzende Jugendschöffenrichter Günter Scheible. Schon die Identität des Mannes sei nicht geklärt, sein Alter stehe nicht fest. Je nach Geburtsdatum war er, als er die Straftaten beging, noch Jugendlicher oder Heranwachsender. Rein optisch wirke er aber deutlich älter, meinte der Richter, der ihn dennoch nach Jugendstrafrecht verurteilte.

Auch Flüchtlinge in Unterkünften bestohlen

„Aus Syrien stammen Sie jedenfalls nicht“, stellte Scheible fest. Auf Fragen des Richters zu den näheren Umständen seiner Herkunft konnte er nichts sagen. Eine Schule habe er nie besucht. „Das kann ich mir nicht vorstellen. In Syrien gab es Schulpflicht“, sagte der Richter. Auch die Schilderung seines Fluchtwegs – von Syrien sei er mit dem Schiff in die Türkei gelangt – klang für Scheible sehr unglaubwürdig. „Diese Strecke legt man auf dem Landweg zurück.“ Vermutlich stamme der Angeklagte aus Algerien oder Marokko, sagte der Richter. „Doch das ist nicht Gegenstand dieser Verhandlung. Das müssen andere Behörden klären.“

Einige der ihm vorgeworfenen Taten räumte der Angeklagte ein. Bei den anderen identifizierten ihn die geladenen Zeugen als Täter. In Karlsruhe hatte er im Februar des Jahres gemeinsam mit einem Komplizen mit dem Antanz-Trick zwei jungen Männern jeweils ein Handy abgenommen. In einem Kaufhaus ließ er ein teures Sweatshirt mitgehen, wurde aber von den Ladendetektiven gestellt. In Oberhausen erbeutete er den Geldbeutel eines Passanten. Und auch zwei syrische Kriegsflüchtlinge in einer Asylunterkunft in Renningen wurden zu Opfern des Diebs.

Die Antanz-Masche ist dem Richter Scheible wohlbekannt. Bei Straftaten im Kreis Böblingen spiele sie jedoch bisher keine Rolle. Dies bestätigte auch die Polizei. „Weder im Kreis Böblingen noch in Ludwigsburg registrieren wir solche Fälle“, sagte der Polizeisprecher Peter Widenhorn. Auch Männer aus Algerien und Marokko seien im Einzugsgebiet des Ludwigsburger Polizeipräsidiums nicht auffällig.

Anders sieht es in Stuttgart aus. „Wir registrieren seit einigen Monaten eine Zunahme von Verfahren wegen Handy – und Geldbeuteldiebstahls“, sagt Monika Rudolph, die Sprecherin des dortigen Amtsgerichts. „Und der überwiegende Teil der Täter stammt aus Marokko und Algerien.“ Laut dem Stuttgarter Polizeisprecher Stephan Widmann ist der Antanz-Trick auch in der Landeshauptstadt verbreitet. Die Täter seien zumeist „zu zweit oder dritt“. Bevorzugte Opfer seien angetrunkene Passanten abends und an Wochenenden.