Mann der Basis: Claus Vogt ist nicht nur VfB-Fan, sondern auch der Präsident des Vereins. Foto: Baumann

Der Aufstieg ist geschafft – die großen Zukunftsfragen stellen sich dennoch. Wir suchen in unserer Serie Antworten. Teil vier: Der VfB Stuttgart und der Frauenfußball – kommt es bald zu einem Happy End?

Stuttgart - In seiner Funktion als DFB-Präsident beantwortete Gerhard Mayer-Vorfelder sein Verhältnis zum Frauenfußball einst mit der größtmöglichen Diplomatie: „Ich gebe gerne zu, dass ich beim Anblick der ersten Frauenspiele nicht in laute Jubelschreie ausgebrochen bin.“ Ein Vierteljahrhundert, von 1975 bis 2000, war der kernige, 2015 verstorbene CDU-Politiker zuvor Clubchef des VfB Stuttgart gewesen – und man tut ihm im Rückblick sicher nicht unrecht, wenn man behauptet: Eher hätte sein Verein damals eine Skatabteilung gegründet, als Fußball spielenden Frauen eine Heimat zu geben.

 

Die Zeiten haben sich geändert. Auf dem Präsidentenstuhl des VfB sitzt inzwischen ein Mann, der zwar genauso gesellig ist wie sein Vorvorvorvorvorvorgänger – zum Frauenfußball aber ein grundlegend anderes Verhältnis pflegt: Claus Vogt (50). Eines seiner großen Anliegen ist es seit seiner Wahl im vergangenen Dezember, nach 127-jähriger Vereinsgeschichte möglichst bald die ersten Mädchen und Frauen in VfB-Trikots aufs Spielfeld zu schicken. Der VfB wäre einer der letzten Proficlubs, nachdem zuletzt mit dem FC Schalke und Borussia Dortmund zwei der bislang hartnäckigsten Verweigerer ihren Einstieg angekündigt haben. „Es ist ein überfälliger Schritt“, sagt Vogt: „Das müssen wir machen, und das wollen wir auch aus Überzeugung. Schließlich sind 40 Prozent unseres Publikums weiblich.“

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Nun weiß auch der Präsident, dass sein Verein, genauer: die ausgegliederte AG um Vorstandschef Thomas Hitzlsperger, momentan andere Sorgen hat, als sich mit der Gründung einer neuen Abteilung zu befassen. Es geht ums wirtschaftliche Überleben, das auch staatliche Corona-Kredite sichern sollen. Und nebenbei muss eine schlagkräftige Profimannschaft zusammengestellt werden, damit der VfB nicht schon wieder aus der Bundesliga absteigt. Also bleibt es Claus Vogt überlassen, das Feld des Frauenfußballs zu beackern.

Für den Unternehmer aus Waldenbuch ist es eine Herzensangelegenheit – nicht nur weil seine beiden Töchter schon selbst Fußball gespielt haben. „Das gehört zur gesellschaftlichen Verantwortung eines Proficlubs“, sagt Vogt, der dabei ist, ein Team von Mitstreitern um sich zu scharen, das in den nächsten Wochen und Monaten die Planungen vorantreiben soll. Verschiedene Gremienmitglieder aus dem Verein gehören ihm ebenso an wie externe Experten. Nach den Sommerferien ist das erste physische Treffen geplant, das aufgrund der Corona-Auflagen bisher nicht möglich war.

An offenen Fragen fehlt es nicht – das fehlende Geld ist nur eines der Probleme. Ein zweites: die beengten Platzverhältnisse auf dem Vereinsgelände, das für die Profis und Nachwuchsmannschaften schon jetzt kaum reicht. Jahrelang begründete der VfB vor allem damit den Verzicht auf Frauenfußball. Doch wo eine Wille ist, ist auch ein Weg, so lautet der Ansatz von Vogt, der in alle Richtungen denkt: an das Ausweichen auf andere Spielfelder, an Kooperationen mit anderen Vereinen, er ist für alles offen. Klar ist bislang nur, dass der Frauenfußball beim VfB genau wie Faustball oder Tischtennis zunächst als Breitensportabteilung zum e.V. gehören und klein anfangen würde. „Es geht nicht darum, den Erfolg zu kaufen“, sagt Vogt. Geld wäre dafür ohnehin nicht vorhanden.

Der Frauenfußball in Württemberg fristet ein klägliches Dasein

Alles ist besser als nichts – das gilt nicht nur beim VfB, sondern für den gesamten Frauenfußball in Württemberg, der ein klägliches Dasein fristet. Weder in der ersten noch der zweiten Liga ist eine Mannschaft aus dem Land vertreten; bis in die Oberliga ist der VfL Sindelfingen abgestürzt, einst stolzes Gründungsmitglied der Bundesliga. „Wir haben so viele Talente ausgebildet, denen irgendwann nichts anderes übrig blieb, als ihre Heimat zu verlassen“, sagt die frühere VfL-Abteilungsleiterin Heike Hofmann: „Die Spielerinnen würden Schlange stehen, wenn der VfB endlich eine Frauenmannschaft hätte.“

Erfolglos sind die vielen Gesprächsrunden geblieben, die Heike Hofmann mit früheren VfB-Präsidenten über eine mögliche Zusammenarbeit geführt hat. Gerd Mäuser wies das Ansinnen schroff zurück, Bernd Wahler fürchtete (unberechtigterweise) den Groll der Ultras, Wolfgang Dietrich signalisierte zumindest loses Interesse – war seinen Job wenig später aber wieder los. In Claus Vogt sieht Hofmann, die Vorkämpferin des Frauenfußballs, nun „den ersten Hoffnungsschimmer am Horizont“.

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Noch ist die Situation jedoch so trist, dass sich die Grünen-Fraktion im Landtag zuletzt mit dem Antrag ans Kultusministerium gewandt hat, die Probleme des Frauenfußballs genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Antwort von Susanne Eisenmann fiel äußerst knapp aus – auch weil sich die Fußballverbände aus Baden und Württemberg nicht einmal in der Lage sahen, über die Zahl der Vereine, Spielklassen oder Trainerinnen Auskunft zu erteilen. „Das zeigt den Stellenwert des Frauenfußballs im Land“, sagt Brigitte Lösch, Vorsitzende des Ausschusses für Kultus, Jugend und Sport, „er spielt keine Rolle.“ Ein Grund: „Es fehlt die Vorbildfunktion der großen Vereine.“

Auch die Stuttgarter Grünen-Abgeordnete setzt ihre Hoffnungen nun in Claus Vogt: „Er ist der erste VfB-Präsident, der den Frauenfußball zu seinem Thema gemacht hat. Es wäre ein ganz wichtiges Signal, wenn der VfB auch in diesem Bereich endlich Verantwortung übernimmt.“