Mit seiner Jacke verdeckt ein Mann aus dem Umfeld der Koran-Verteilaktion „Lies“ auf der Frankfurter Zeil sein Gesicht. Foto: dpa

In Deutschland wächst die Zahl der Personen, die als islamistische „Gefährder“ eingestuft werden. Ein Viertel der gefährlichsten islamistischen Extremisten sind Asylbewerber.

Berlin - Die Zahl der Personen, die von den Sicherheitsbehörden als islamistische „Gefährder“ eingestuft werden, wächst in Deutschland kontinuierlich. Das geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Stephan Thomae hervor, die unserer Zeitung jetzt vorliegt. Während die Zahl der islamistischen Gefährder im Januar 2011 noch bei 131 und im Februar des Folgejahres bei 167 lag, stieg sie bis Januar 2015 schon auf 266. Im März 2017 wurde die Zahl der Gefährder mit einer religiösen Ideologie mit 586 angegeben. Gemäß den Angaben des Innenministeriums werden heute von den Sicherheitsbehörden 726 Männer und 35 Frauen als derartige Gefährder geführt. Dazu kommen weitere 395 Männer und 75 Frauen, die als sogenannte „relevante Personen“ im Blickfeld der Ermittler sind.

Zusammenhang von Zuwanderung und angespannter Sicherheitslage

„Gefährder“ nennt die Polizei eine Person, „zu der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung“ begehen wird. Als „relevant“ wird eingestuft, wer „innerhalb des extremistischen/terroristischen Spektrums die Rolle einer Führungsfigur, eines Unterstützers/Logistikers, eines Akteurs einnimmt und objektive Hinweise vorliegen, die die Prognose zulassen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung“ begeht oder es sich um „eine Kontakt- oder Begleitperson eines Gefährders“ handelt.

Die Antwort des Ministeriums auf die FDP-Anfrage nennt zu diesem wachsenden Personenkreis interessante Einzelheiten. Aus dem bezeichneten Personenkreis haben 362 Personen einen Asylantrag gestellt. Im Klartext: Rund ein Viertel der gefährlichsten Extremisten sind Asylbewerber. Das Innenministerium führt das rapide Anwachsen der Zahlen auf zwei Gründe zurück. Zum einen auf die „gestiegene Sensibilität im Hinblick auf die dem Phänomen innewohnende besondere Gefährdungskomponente“. In Normaldeutsch: Die Polizei schaut eben jetzt genauer hin. Zum anderen auf „die Migrationsbewegungen im Kontext des Kriegsgeschehens in Syrien und Irak“. Das ist zwar keine Neuigkeit, aber die Bundesregierung erkennt in aller Deutlichkeit den Zusammenhang von Zuwanderung aus den genannten Krisengebieten und einer erhöhten Gefährdungslage ausdrücklich an.

980 deutsche Islamisten reisten in den Irak oder nach Syrien

Angesichts der wachsenden Zahl der Gefährder kommt der Frage eine immer größer werdende Bedeutung zu, wie es mit der Ausweisung von ausreisepflichtigen Gefährdern vorangeht. Die Antwort ist nicht besonders ermutigend.

Bei 130 Personen aus der Gruppe der Gefährder und relevanten Personen wurde der Asylantrag abgelehnt. Sie sind damit ausreisepflichtig, wenn sie keine Duldung nach dem Aufenthaltsgesetz vorweisen können, was nur bei 16 Personen der Fall ist. Demgegenüber stehen aber seit Beginn 2017 – man kann auch sagen: nach dem Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheid-Platz – nur 13 Abschiebungsanordnungen nach § 58a des Aufenthaltsgesetzes. Zehn dieser 13 Personen wurden dann auch tatsächlich abgeschoben. „Der zeitnahe Vollzug der noch ausstehenden Abschiebungen verzögert sich aufgrund laufender Rechtsbehelfsverfahren im Einzelfall“, heißt es in der Antwort des Innenministeriums.

Den Behörden liegen derzeit Erkenntnisse zu mehr als 980 Islamisten aus Deutschland vor, die in Richtung Syrien oder Irak ausgereist sind, um aufseiten des IS zu kämpfen. Ein Fünftel davon ist weiblich, fast alle jünger als 30 Jahre. Ein Drittel dieser in die Kampfgebiete gereisten Personen befindet sich wieder in Deutschland. Etwa zwei Drittel dieser Gruppe haben die deutsche Staatsbürgerschaft. Fast ein Drittel besitzt zusätzlich zur deutschen noch eine weitere Staatsbürgerschaft. Zuletzt hatte Stephan Mayer (CSU), der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, vorgeschlagen, dieser Gruppe den deutschen Pass zu entziehen.