Verletzt sich schwer: der Kanadier Christopher Delbosco (rechts) Foto: AFP

Die spektakulärste Disziplin der Winterspiele wird von Stürzen überschattet. Die drei deutschen Starter scheiden schon in Runde eins aus.

Pyeongchang - Sprünge, Steilkurven, Duelle Schulter an Schulter, Überholmanöver: Skicross ist immer ein Spektakel, aber nur bei den Olympischen Spielen schaut die ganze Sportwelt zu – und wird wieder viele schwere Stürze in Erinnerung behalten. Wie nahe Triumph und Tragödie liegen, erlebten am Mittwoch vor allem die Kanadier. Brady Leman landete ganz oben auf dem Podest, Christopher Del Bosco im Krankenhaus. „Wer mithalten will, muss 100 Prozent geben“, sagte Florian Wilmsmann (22), der wie seine deutschen Teamkollegen Paul Eckert (27) und Tim Hronek (22) bereits im Achtelfinale gescheitert war, „wir bewegen uns absolut am Limit“ – und manchmal auch darüber.

50 Verletzte in der ersten Olympia-Woche

Die „New York Times“ hat gezählt, dass in der ersten olympischen Woche 50 Sportler verletzt abtransportiert werden mussten – allein 33 davon sind Freestyler gewesen. Mittlerweile kamen noch einige dazu. Zum Beispiel die deutsche Skicrosserin Celia Funkler, die sich im Training für ihren Wettbewerb eine Fraktur des Brustwirbelkörpers zuzog (das Finale findet am Freitag 2 Uhr/MEZ statt). Und auch im Rennen der Skicrosser gab es drei Opfer.

Am schwersten erwischte es den Kanadier Christopher Del Bosco. Im letzten Achtelfinallauf schätzte der 35-jährige Ex-Weltmeister einen Sprung falsch ein, verlor die Kontrolle. Er flog mit seinen Skiern knapp 40 Meter durch die Luft, knallte übel auf die Piste und schlitterte dort noch weiter. Del Bosco blieb zunächst reglos liegen, dann wurde er mit Verdacht auf Beckenbruch ins Krankenhaus gebracht. Der Franzose Terence Tchiknavorian erlitt eine Fraktur des Schienbeins, der Österreicher Christoph Wahrstötter eine Gehirnerschütterung. Er klagte laut Auskunft des Teamarztes über Gedächtnislücken. „Haften bleiben werden nun wieder die Sturzbilder, das würden wir natürlich gerne vermeiden“, sagte Heli Herdt, im Deutschen Skiverband (DSV) für die Sparte Freestyle verantwortlich, „wir hätten lieber viele Überholmanöver und am Ende jeden Laufs ein Fotofinish.“

Noch höher, noch schneller, noch weiter

Ein Problem: In Pyeongchang wurden 280 000 Kubikmeter Schnee verbaut, fünfmal mehr als bei normalen Weltcup-Rennen. Dabei ist die Rechnung einfach: viel Schnee = große Schanzen = weite Sprünge = hohes Risiko. „Hier ist alles riesig, so wie es die Leute bei Olympia eben haben wollen“, meinte Tim Hronek. Aber muss das wirklich sein – immer noch höher, noch schneller, noch weiter? „Nein!“ sagte zumindest Dirk Schimmelpfennig.

Der Chef de Mission des deutschen Olympia-Teams schaute sich die Finalläufe der Skicrosser im Phoenix Snow Park an, und er war begeistert von den Leistungen der Athleten. Weniger allerdings von den Rahmenbedingungen. Er appellierte an den Ski-Weltverband (Fis), den Streckenbau zu überdenken. „Skicross an sich ist so spektakulär, dass so extreme Situationen gar nicht nötig sind“, erklärte Schimmelpfennig, „das ist eine Sportart, die absolut im Kommen ist und der auch mehr Sicherheit den Reiz nicht nehmen würde.“

Kein Athlet beklagt sich über die Strecke

Bemerkenswert war allerdings, dass sich keiner der Athleten über die Strecke beklagte. Der Kurs war nach dem Training entschärft worden, vor allem an den letzten beiden Sprüngen, an denen sich die Sportler zuvor teilweise gefühlt hatten wie Skiflieger. „Alles voll im Rahmen“, meinte Hronek. „Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass die Strecke nicht spektakulär war. Aber das ist eine alpine Abfahrt auch“, sagte Wilmsmann, „und dieser Kurs hat funktioniert.“ Das sah auch Eckert so: „Die Strecke war auch nicht gefährlicher, als wir es gewohnt sind. Der Sturz von Del Bosco war aus meiner Sicht ein Fahrfehler.“

Unzulänglichkeiten hatten sich auch die deutschen Skicrosser geleistet. Hronek und Wilmsmann machten im Achtelfinale einen entscheidenden Fehler, Medaillenanwärter Eckert verpasste Rang zwei seines Laufs um sieben Hundertstelsekunden. „Wir sind bitter enttäuscht, das hatten wir uns ganz anders vorgestellt“, meinte der Athlet aus Samerberg, der den letzten Weltcup vor den Winterspielen gewonnen hatte, „dieses Ergebnis spiegelt nicht unser Leistungsvermögen wider. Wir können definitiv mehr. Aber die anderen sind halt auch keine Amateure.“

Der Kanadier Brady Leman gewinnt Gold

Vor allem nicht Brady Leman. Der Kanadier gewann nach der Enttäuschung von Sotschi 2014, als er nur Vierter geworden war, diesmal Gold. Er setzte sich im Finale gegen den Schweizer Marc Bischofberger durch. Sergej Ridsik und Kevin Drury (Kanada) waren gleich nach dem Start des Finallaufs gestürzt, der Russe rappelte sich als Erster wieder auf und holte Bronze.

Während sich die drei Deutschen darüber ärgerten, die Bühne Olympia nicht für sich genutzt zu haben, gab es am Ende des Tages doch noch eine gute Nachricht für das schwarz-rot-goldene Team: Celia Funkler (19) durfte das Krankenhaus verlassen, sie wird am Donnerstag nach Hause fliegen. Mit einer Rückenorthese zur Ruhigstellung. Spektakel hatte sie genug.