Auf der Suche nach der Form: Emre Can und Borussia Dortmund. Foto: AFP/Wolfgang Rattay

Die Fußball-Bundesligisten RB Leipzig, Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund laufen ihren eigenen Ansprüchen hinterher: Die größte Stärke des FC Bayern ist in dieser Saison die Schwäche der anderen.

Stuttgart - Es gibt sie immer noch, die komplett ehrlichen Momente im Fußball. Die Augenblicke, wenn ein Profi sagt, was er wirklich denkt. Wie zuletzt Lukas Hradecky. „Die Bayern“, meinte der Torwart von Bayer Leverkusen nach der 0:1-Heimpleite gegen den VfL Wolfsburg, „interessieren mich einen Scheißdreck.“

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Allerdings war der Satz nicht nur wegen seiner Authentizität bemerkenswert. Sondern auch, weil er sinnbildlich steht für die Lage der Liga. Alle scheinen sich damit abgefunden haben, dass der FC Bayern den neunten Titel in Serie holt, obwohl noch fast die Hälfte der Saison aussteht. Und obwohl der haushohe Favorit gar nicht so übermächtig ist. Die größte Stärke des FC Bayern? Ist diesmal die Schwäche der anderen.

Die größten Sorgen hat Borussia Dortmund

RB Leipzig, mit sieben Punkten Rückstand Zweiter, hat das größte Potenzial. Aber eben auch das Problem, dass die Maschine, um nicht ins Stottern zu geraten, immer unter Volllast laufen muss – und derzeit fehlt es dafür an der nötigen Energie. „Wer bei einem Abstiegskandidaten verliert und drei Gegentore bekommt“, sagte Kapitän Marcel Sabitzer nach dem 2:3 in Mainz, „der braucht nicht von irgendwas weit vorne reden.“ Abwehrchef Willi Orban stimmte zu: „Die Meisterschaft ist im Moment nicht in unserem Kopf.“

So ist es auch bei Bayer Leverkusen, am zwölften Spieltag noch Tabellenführer. Nun, nach der ersten Partie der Rückrunde, fehlen auf den FC Bayern schon zehn Punkte. „Eine Top-Mannschaft unterliegt nicht zweimal hintereinander“, sagte Trainer Peter Bosz neulich – nachdem sein Team das zweite Spiel in Folge verloren hatte. Und Borussia Dortmund hat aktuell noch größere Sorgen.

Das Ziel von Bayern-Boss Uli Hoeneß war immer, der Konkurrenz so weit zu enteilen, dass diese ein Fernglas benötigt, um seinen Club im Auge zu behalten. Der BVB braucht derzeit ein Teleskop. 14 Punkte Rückstand, das Team auf dem besten Weg, seine Untrainierbarkeit zu beweisen, die Qualifikation für die Champions League in Gefahr – so verständlich ist, dass derzeit in Dortmund niemand von der Meisterschaft spricht, so unverständlich sind die enormen Leistungsschwankungen dieser hochtalentierten Mannschaft.

Den Pseudo-Verfolgern fehlt es an Konstanz

Wobei dies für alle drei Pseudo-Verfolger des FC Bayern gilt: es fehlt nicht an Klasse, allerdings an der Qualität, diese Woche für Woche zu zeigen. Beständig sind die Teams nur in ihrer Unbeständigkeit. Er vermisse bei allen eine „Achse aus Führungsspielern, die sich dann zeigen, wenn es auf dem Platz mal schwierig wird“, kritisierte zuletzt der frühere Nationalspieler Jürgen Kohler. Und Lothar Matthäus, auch er einer der Weltmeister von 1990, meinte: „Es ist einfach keine Konstanz da.“

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Das schmerzt umso mehr, weil es auch beim FC Bayern nicht rund läuft. Die Münchner kassierten in der Vorrunde nicht nur ungewohnt viele Gegentore (25) und zwei Niederlagen, die Leistungen hatten oft kein Triple-Niveau. Profitieren konnte die Konkurrenz davon nicht. Alle vier Teams sind in europäischen Wettbewerben gefordert, der enge Corona-Spielplan geht an die Substanz. Doch im Zweifel regelt der FC Bayern seine Probleme eben über die individuelle Qualität. Das Fachmagazin „kicker“ hat gleich drei Münchner Profis das Prädikat Weltklasse verliehen. Torwart Manuel Neuer, Mittelfeldchef Joshua Kimmich und Stürmerstar Robert Lewandowski bilden zusammen mit Thomas Müller die Achse, die andere Bundesligisten nicht haben. Was natürlich vor allem mit Geld zu tun hat.

Holstein Kiel hat es vorgemacht

Der FC Bayern ist der Krösus der Liga. Heruntergerechnet auf die einzelnen Profis des Kaders liegt das Gehaltsniveau um mehr als 50 Prozent höher als bei Borussia Dortmund, und auch was den Marktwert des Teams angeht, ist der FCB (893,5 Millionen Euro) klar die Nummer eins vor dem BVB (615,2), RB Leipzig (552,4) und Bayer Leverkusen (347,5). Die Tabelle spiegelt also, so fair muss man sein, auch die Wirtschaftskraft wider.

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Und trotzdem werden die Verfolger ihrem eigenen Anspruch, just dann zuzuschlagen, wenn die Münchner schwächeln, mal wieder nicht gerecht. Umso schöner für jeden Fußball-Romantiker war es, im DFB-Pokal zu sehen, dass Geld eben doch nicht immer Tore schießt. Zweitligist Holstein Kiel warf den FC Bayern im Elfmeterschießen raus – und tat damit nicht nur sich, sondern auch den Achtelfinalisten RB Leipzig, Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund einen großen Gefallen: für das Trio ist wenigstens noch ein Titel drin.