Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet spricht am Wahlabend trotz des schlechten Ergebnisses seiner Partei von einer unionsgeführten Regierung. Foto: dpa/Michael Kappeler

Mit Armin Laschet fährt die Union das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte ein – und setzt trotzdem auf eine „Jamaikakoalition“.

Berlin - Schon wenige Minuten nach der offiziellen Schließung der Wahllokale soll der CDU-Generalsekretär sicherstellen, dass niemand aus der Reihe tanzt. Damit nur ja keiner das schlechte Unionsergebnis zum Anlass nimmt, um den Kanzlerkandidaten Armin Laschet infrage zu stellen, gibt Paul Ziemiak für das in der Parteizentrale versammelte Präsidium eine Vorwärtsverteidigungsstrategie aus: Egal, ob man am Ende dieses Wahlabends nun auf dem ersten oder doch nur auf dem zweiten Platz landet, wollen CDU und CSU gemeinsam auf Grüne und Liberale zugehen – um eine 2017 noch gescheiterte Jamaikakoalition zu bilden.

Es ist das historisch schlechteste Ergebnis für die Union

Die Festlegung kommt zu einem Zeitpunkt, als nur Prognosen vorliegen und im Bundesland Berlin wegen vorübergehend fehlender Stimmzettel sogar noch Kreuze gemacht werden. Die ARD sieht die Union in diesem Moment gleichauf mit der SPD, während das ZDF den Christdemokraten einen leichten Rückstand prophezeit. Worauf der erste politische Schachzug an diesem spannenden Wahlabend abzielt, ist allen im Konrad-Adenauer-Haus klar: Allen Parteifunktionären, die sich möglicherweise überlegt hatten, ihren Frust öffentlich zu machen, werden somit von der Parteizentrale in Berlin zur Geschlossenheit aufgerufen, um nicht Koalitionsgespräche zu gefährden.

Anlass für Enttäuschung gibt es reichlich: Der schwarze Balken von CDU und CSU rauscht von allen Parteien am stärksten nach unten. Dabei bedeuteten bereits die 32,9 Prozent, die die Union 2017 mit Bundeskanzlerin Angela Merkel als Spitzenkandidatin einfuhr, das historisch schlechteste Ergebnis. Nun gibt es einen neuen Negativrekord. „Das sind bittere Verluste“, räumt denn auch Ziemiak ein – um sogleich wieder auf die anstehenden Gespräche mit den Grünen und der FDP zu verweisen.

„Wir haben zu spät die Reihen geschlossen“

Ganz so leicht wegwischen lässt sich die geschichtsträchtige Schlappe allerdings nicht. „Es lief einfach nicht rund im Wahlkampf“, sagt der Nürtinger Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich unserer Zeitung. Er bemängelt vor allem, dass die interne Debatte um den Kanzlerkandidaten Laschet nie so ganz verstummt ist, was die Schlagkraft der wahlkämpfenden Unionisten seiner Ansicht nach geschwächt hat: „Wir haben zu spät die Reihen geschlossen und sind somit auch zu spät richtig in Fahrt gekommen.“

Gemeint sind damit die Querschüsse aus der CSU. Da verkündete Markus Blume als Generalsekretär der Schwesterpartei noch kürzlich, dass die Union mit seinem Parteichef Markus Söder „natürlich“ besser dastünde. Bayerns Ministerpräsident selbst behauptete wiederum, dass ein Mehr an Unterstützung für Laschet gar nicht möglich gewesen wäre. Er vergaß dabei aber möglicherweise, wie er noch beim offiziellen Wahlkampfauftakt Mitte August im Berliner Tempodrom ausführlich daran erinnerte, wie groß die Unterstützung in der Union für ihn war, als er im April erbittert mit Laschet um die Kanzlerkandidatur kämpfte.

Gleichwohl ist es einer am Ende des Wahlkampfs dann doch noch relativ geschlossenen Union gelungen, gegenüber den teils noch schlechteren Umfragen etwas an Boden gutzumachen. Der Aufwärtstrend bei CDU und CSU, den die Meinungsforschungsinstitute in den letzten Tagen ausgemacht hatten, fiel somit sogar noch stärker aus. Laschet dankte in der Parteizentrale denn auch seinen Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfern für den gelungenen „Schlussspurt“.

Sorge, dass die „frühen“ Wähler eher für Scholz’ SPD gestimmt haben könnten

Im Laufe des Abends hoffen sie in der Union, dass mit den in Nachwahlbefragungen nicht berücksichtigten Briefwahlstimmen vielleicht noch der erste Platz erreichbar ist. Zugleich geht die Sorge um, dass die „frühen“ Wähler eher für Scholz’ SPD gestimmt haben könnten, weil die Union erst kurz vor Toreschluss Tritt fasste. Aber unabhängig davon, wer die Gold- und wer die Silbermedaille erhält, hat das CDU-Präsidium die Weichen so gestellt, dass Parteichef Laschet allen Unkenrufen zum Trotz zumindest den Abend politisch überlebt.

Sicher ist das keineswegs gewesen. Es gab genug Parteifunktionäre, die schon die Messer gewetzt hatten und vielleicht auch noch wetzen. So hat etwa ein Bundestagsabgeordneter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen wollte, schon am Sonntagnachmittag gefordert, dass „kein Stein auf dem anderen bleiben darf, wenn wir am Ende nur auf dem zweiten Platz ins Ziel kommen“.

Der Parteichef schart die ganze CDU-Führungsriege hinter sich, als er am Abend die Bühne im Foyer des Adenauerhauses betritt – auch das ein abgesprochenes Signal der Geschlossenheit, um den Parteichef zu stärken. Die scheidende Kanzlerin ist mit dabei, ihr gilt Laschets erstes Dankeschön. Sie muss aber auch für das schlechte Abschneiden herhalten – der NRW-Ministerpräsident weist wie Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble darauf hin, dass niemand von einem Amtsbonus habe profitieren können.

Nun wird es Gespräche darüber geben, welche Konstellation inhaltlich zusammenfindet

Am längsten ist jedoch der Werbeblock für eine Jamaikakoalition. Laschet wirbt für sich als Versöhner verschiedener Positionen, mit der er schon das Rennen um den CDU-Vorsitz und auch den Machtkampf mit Söder für sich entschieden hat. Der Düsseldorfer Regierungschef hat in seinem Heimatland dem liberalen Juniorpartner Erfolge gegönnt, das Prinzip würde er auch in einer Jamaikakoalition zur Anwendung bringen, sagt Laschet: „Bundeskanzler wird der, dem es gelingt, Gegensätze zu überwinden.“

In der sogenannten Elefantenrunde im Fernsehen verspricht er eine Regierung, „in der auch jeder vorkommt, in der jeder Partner sichtbar ist“. Als Beispiel führt er den Solardachausbau an, den die Grünen mit einer Verpflichtung an die Bauherren und die Christdemokraten mit verbilligten KfW-Förderkrediten erreichen wollen: „Das Ziel ist doch das gleiche.“ Nun wird es Gespräche darüber geben, welche Konstellation inhaltlich zusammenfindet. Freilich wird bei der Koalitionswahl auch die künftige Kanzlerpersönlichkeit eine Rolle spielen – und da hat den Erhebungen der Institute vom Wahltag zufolge der Sozialdemokrat Olaf Scholz die Nase gegenüber Armin Laschet vorn.

Sogar am Wahltag hat sich der noch eine der Pannen geleistet, die ihn in diesem Wahlkampf nicht beliebt gemacht haben. Bei der Stimmabgabe in Aachen vergaß Laschet den Stimmzettel zu falten, bevor er ihn in die Urne schmiss – somit konnte jeder sehen, dass der CDU-Chef die eigene Partei gewählt hat. Sogar Bundeswahlleiter Georg Thiel sah sich zu einer Klarstellung genötigt: Der örtliche Wahlvorstand hätte Laschet zurückweisen und ihm einen neuen Zettel aushändigen müssen. Obwohl das Votum der Christdemokraten abgegeben wurde, gab Thiel dennoch Entwarnung: „Eine Wählerbeeinflussung kann darin nicht gesehen werden.“