Büromaterial in der Städtischen Galerie – Beat Zoberer macht Farbenspiele mit Aktenhüllen Foto: H. Klotzeck

Radiergummi, Aktenordner oder Klebeetiketten – die Ausstellung „Out of Office“ widmet sich der sinnlichen und ästhetischen Seite schnöder Alltagsobjekte.

Bietigheim-Bissingen - Sage noch einer, Büroarbeit sei nicht anstrengend. Von wegen Schreibtischhocker! Im Umgang mit schweren Dokumenten wird der Bizeps trainiert. Die Ablage bringt den Kreislauf in Schwung. In seinem Video „Archivadores en archivo“ beweist Ignacio Uriarte, wie viel Energie allein das Ein- und Umsortieren von Akten verschlingen kann. Die Kamera hat ein großes Regal frontal ins Visier genommen, das wie von Geisterhand mit Ordnern bestückt wird. Mal befüllen sich die Reihen gleichmäßig von links nach rechts, mal wandert ein einzelner Ordner – und bei dieser Choreografie mit fröhlich tanzenden Ordnern imaginiert man zwangsläufig fleißige Bürokräfte, deren Alltag zum Sport-Work-out wird.

Büroarbeit wird unterschätzt. Sie genießt keinen guten Ruf und steht für bornierte Bürokratie, staubtrockene Verwaltungsvorgänge und Pfennigfuchser, die Rechenfehlern nachjagen. Die Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen beweist nun das Gegenteil. Die neue Ausstellung „Out of Office. Büro-Kunst oder das Büro im Museum“ widmet sich der ästhetischen Seite des Büros, das sich als eine wahre Fundgrube für kreative Geister erweist. Klebeetiketten, kunterbunte Lineale, geschredderte Ausdrucke oder Papierkörbe taugen trefflich zur künstlerischen Bearbeitung und gar zur Performance. Zur Ausstellungseröffnung hat Florian Lechner in einer Papierknüllaktion im Galerieraum einen Papierberg aufgetürmt – ein markantes Sinnbild für verworfene Geniestreiche und verpatzte Ideen.

Der lässige Beat der Schreibmaschine

Ein Hauch Nostalgie weht durch die Ausstellungsräume, denn der Computer bringt unsereinen im heimischen als auch im dienstlichen Büro um manch sinnliches Erlebnis. Viele Arbeiten zitieren das vordigitale Zeitalter, als bunte Klebeetiketten und Lochverstärkungsringe noch zur Basisausstattung am Schreibtisch gehörten. Annegret Hoch hat mit allerlei Klebepunkten und knallorangen Preisetiketten abstrakte Form- und Farbspiele aufs Papier gebracht, während Tina Haase aus klassischen rot-blauen Radiergummis eine Skulptur gebaut hat. Ignacio Uriarte hat den Sound einer alten Schreibmaschine eingefangen, einen lässigen Tippbeat. Und auch Dirk Krecker tippt – allerdings Porträts aus Buchstaben, wobei einzelne Worte wehmütig an den technischen Wandel erinnern: „Mustererkennung“, „Überwachen“, „Mobilfunkdaten“ liest man da.

Die Ausstellung „Out of Office“ wurde weitgehend vom Museum Konkrete Kunst Ingolstadt übernommen, aber durch einige Arbeiten ergänzt. So kann der Besucher erst einmal an einer von der Stadtverwaltung entliehenen Stempeluhr einstempeln – und später für die Statistik seine Aufenthaltsdauer im Museum ablesen. In Schnellheftern liegen auch die Personalfragebogen bereit, die die Künstlerinnen und Künstler in der Städtischen Galerie auszufüllen haben. Peter Piller hat sich einen Scherz daraus gemacht. In der Rubrik „berufsbezogene Laufbahn“ hat er „Dauerkarte FC St. Pauli“ notiert und als Foto das Beweisbild von einer Radarfalle mitgeschickt, in die er gerast ist.