Joachim Ringelnatz: Sympathien für Stuttgart. Foto: dpa

Oberbürgermeister Kuhn macht sich Gedanken über das Image der Stadt – unter Verweis auf den sächsischen Dichter Joachim Ringelnatz. Darüber schmunzelt Lokalchef Jan Sellner.

Stuttgart - Stuttgart ist schön, hat nach verbreiteter Meinung jedoch ein Imageproblem. Der Oberbürgermeister der schön(en) verkannten Stadt, die soeben werbewirksam die neue Feinstaubsaison ausgerufen hat, tat dieser Tage kund, an was das liegen könnte: Der Stuttgarter habe ein Problem mit dem eigenen Blick auf die Stadt, ließ Fritz Kuhn wissen. Denn: „Der Schwabe meckert gern rum.“ Klingt abgedroschen und ist es auch, abgesehen davon, dass „der Schwabe“ in der Stadt, die sich aus 170 Nationen zusammensetzt, nur einer unter vielen ist – wobei es auch viele schwäbelnde Italiener, Türken oder Griechen gibt.

Versöhnlich stimmt, dass der meckernde OB an Joachim Ringelnatz, den sächsischen Dichter, erinnert. Er zitiert ihn mit den einprägsamen Worten: „Ja, Stuttgart ist eine besondere Stadt, gegen dieses Scheißmünchen ein Paris.“ Durch häufiges Zitieren wirkt der Satz leider schon recht verbraucht. Erschwerend kommt hinzu, dass er nicht stimmt. Statt „Stuttgart ist eine besondere Stadt“ hat Ringelnatz gedichtet: „Stuttgart ist schön.“

Vier Gedichte über Stuttgart

Überhaupt hat er Stuttgart gleich in mehreren Gedichten besungen – genauer: in vier. Vielleicht, dass der OB beim nächsten Mal aus dem eindrücklichsten zitiert. Es heißt „Stuttgarts Wein- und Bäckerstübchen“; die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ nannte es treffend „ein kleines, hübsches Meisterwerk einer poetischen Ethnographie“. Es handelt von den Erfahrungen des Fremden in einem Stuttgarter Gastronomiebetrieb der 1920er Jahre und schließt mit den Zeilen:

„Setzte mich so ganz bescheiden hin

Und vergaß auch nicht, sehr laut zu

grüßen.

Dennoch ließen Blicke mich leicht

büßen,

Daß ich kein Stuttgarter bin.“Merken Sie was? Geguckt haben die Stuttgarter. Aber gemeckert hat keiner!

jan.sellner@stzn.de