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Mehr als ein Drittel der Deutschen haben Probleme mit der Schilddrüse - oft ohne es zu bemerken. Besonders häufig kommt dies bei Menschen in der zweiten Lebenshälfte vor.

Stuttgart - Mehr als ein Drittel der Deutschen haben Probleme mit der Schilddrüse - oft ohne es zu bemerken. Besonders häufig kommt dies bei Menschen in der zweiten Lebenshälfte vor. Ab dem 45. Lebensjahr ist jeder Zweite davon betroffen, Frauen meist häufiger als Männer.

Rund 120.000 Menschen werden in Deutschland jährlich an der Schilddrüse operiert, weitere 60.000 Patienten unterziehen sich wegen einer Schilddrüsenerkrankung einer Radiojodtherapie. Diese Zahlen könnten deutlich geringer ausfallen, wenn Schilddrüsenkrankheiten früher diagnostiziert und behandelt würden.

Die menschliche Schilddrüse ist ein sehr kleines Organ, das die Form eines Schmetterlings hat und unterhalb des Kehlkopfs liegt. Bei einer gesunden Schilddrüse ist jeder der beiden Lappen nicht größer als das Daumenendglied ihres Besitzers. Beim Erwachsenen wiegt das Organ etwa 20 bis 25 Gramm. Ihre Aufgabe ist es, aus Jod und Eiweißbausteinen das Hormon Thyroxin (Tetrajodthyronin/T4 und Trijodthyronin/T3) herzustellen, dieses zu speichern und es nach Bedarf an das Blut abzugeben.

"Mit diesen Botenstoffen lenkt das Mini-Organ fast alle wichtigen Funktionen im Körper wie Stoffwechsel, Herz und Kreislauf, Magen und Darm, Nerven und Muskeln", erklärt Dr. Eckhart Fröhlich, Chefarzt Innere Klinik I, Gastroenterologie und Infektiologie am Stuttgarter Karl-Olga- Krankenhaus. Die kleine Schilddrüse beeinflusst so hormonell die Persönlichkeit und Psyche des Menschen, die Sexualität und Fruchtbarkeit und sogar das Wachstum von Haut, Haaren und Nägeln.

Jodmangel und Erkrankungen können die Schilddrüse aus dem Takt bringen, so dass sie nicht mehr die richtige Menge an Botenstoffen aussendet. "Dies kann sich durch Konzentrationsschwäche, Frieren, Gewichtszunahme, Verstopfung ebenso wie durch Herzklopfen, innere Unruhe, Schwitzen oder Gewichtsabnahme bemerkbar machen", so Fröhlich. Schilddrüsenprobleme werden oft nicht gleich als solche erkannt, denn die Krankheitszeichen sind eher allgemein. Der Experte weiß, dass auch schwerwiegende Symptome wie Kinderlosigkeit, gefährlicher Bluthochdruck, schwere Depression mit Schilddrüsenproblemen zusammenhängen können. Ärzte empfehlen vor allem Frauen ab 35 die jährliche Überprüfung der Schilddrüsenfunktion.

Bei der Routineuntersuchung tastet der Arzt den Hals ab und bestimmt die Schilddrüsenwerte (T3, T4 und TSH). Stimmt etwas nicht, folgt eine Ultraschalluntersuchung mit einem Spezial-Schallkopf, eventuell eine Szintigrafie der Schilddrüse. Dabei wird schwach radioaktiv markiertes Jod in eine Vene gespritzt, das sich im Schilddrüsengewebe anreichert. Die Verteilung des Jods gibt Auskunft über Funktion und Gewebebeschaffenheit.

Kleines Organ mit großer Wirkung

Akute Schilddrüsenentzündung: Tritt meist plötzlich auf, die Patienten spüren allgemeine Krankheitssymptome wie Fieber, Rötung, Schwellung und Schmerzen im Bereich der Schilddrüse. Sie ist häufig eine Folge einer bakteriellen Infektion und lässt sich mit Antibiotika behandelt.

Subakute Schilddrüsenentzündung: Die Schilddrüse ist geschwollen, empfindlich und schmerzt bei Druck und Berührung. Die Schmerzen können in den Kiefer oder die Ohren ausstrahlen, es kann zu Fieber kommen. Häufig tritt diese Form der Schilddrüsenentzündung nach Viruserkrankungen auf. Behandelt wird sie mit entzündungshemmenden Medikamenten.

Chronische Schilddrüsenentzündung: Die häufigste Form der chronischen Entzündung ist die sogenannte Hashimoto-Thyreoiditis. Der Körper bildet plötzlich Antikörper gegen das eigene Schilddrüsengewebe, es kommt zu einer Entzündung. Die Veranlagung dazu scheint vererbbar zu sein. Betroffen sind meist Erwachsene, vor allem Frauen im mittleren Alter. Stress, Infektionen und hormonelle Umstellungsphasen können Auslöser sein. Zunächst kann kurzzeitig eine Schilddrüsenüberfunktion auftreten, danach eine oft nur geringe Unterfunktion. Die Behandlung besteht in der meist lebenslangen Gabe von Schilddrüsenhormonen.

Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose): Typische Beschwerden einer Unterfunktion sind Frieren, Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Konzentrationsschwäche, Blässe, langsamer Pulsschlag, niedriger Blutdruck, Herzbeschwerden, Gewichtszunahme, Verstopfung, brüchige Fingernägel und Haarausfall. Die häufigste Ursache für eine Schilddrüsenunterfunktion bei Erwachsenen ist die Hashimoto-Thyreoiditis.

Morbus Basedow: Hierbei handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der es zu einer Überfunktion der Schilddrüse mit Kropfbildung kommen kann. Betroffen sind Erwachsene jüngeren und mittleren Alters, deren Körper aus unbekannter Ursache Antikörper (TRAK, TPO) gegen das eigene Schilddrüsengewebe bildet. Dadurch wird das regulierende Hormon TSH aus der Hirnanhangdrüse blockiert, der steuernde Regelkreis wird unterbrochen und das Schilddrüsengewebe produziert ungehemmt Hormone. Diese Patienten haben meist typisch hervortretende Augen. Die Diagnose wird durch eine Blutuntersuchung gestellt. Die Therapie kann mit Medikamenten erfolgen, die die Hormonproduktion drosseln. Alternativ gibt es die Radiojodtherapie, bei der das Schilddrüsengewebe mit radioaktivem Jod bestrahlt und so eine Verringerung des Schilddrüsengewebes erreicht wird. Außerdem bleibt eine Operation zur Schilddrüsenverkleinerung.

Kalte oder heiße Knoten: Durch vorübergehenden Jodmangel, Entzündungen, aber auch durch unkontrolliertes Wachstum bösartiger Zellen kann es zu knotigen Veränderungen in der Schilddrüse kommen. Diese Knoten sind tastbar und im Ultraschall sichtbar. Die Unterscheidung zwischen kalten und heißen Knoten gelingt mit Hilfe der Szintigrafie. Reichert sich Jod im Knoten an, spricht man von heißen oder hyperfunktionellen Knoten. Solche Knoten produzieren meist unkontrolliert Schilddrüsenhormone und können zu einer Überfunktion der Schilddrüse führen. Kalte (hypofunktionelle) Knoten haben einen geringeren Stoffwechsel, sie nehmen weniger Jod auf (keine oder nur geringe Anreicherung in der Szintigrafie). Allerdings kommt es nicht zwangsläufig zu einer Unterfunktion, da der gesunde Schilddrüsenteil die Hormonproduktion weitgehend sicherstellen kann. Die Unterscheidung zwischen heißen und kalten Knoten ist wichtig, da sich hinter kalten Knoten in einem geringen Prozentsatz Schilddrüsenkrebs verbirgt. Die Therapie besteht aus Jodtabletten, der Gabe von Schilddrüsenhormonen oder einer operativen Teilentfernung der Schilddrüse.

Schilddrüsenkrebs: Jedes Jahr erkranken rund 4000 Menschen an Schilddrüsenkrebs. Die bösartigen Zellen wachsen ähnlich wie ein Knoten, sind jedoch wegen ihrer geringen Größe häufig nicht tastbar. Da diese Zellen oft kein Schilddrüsenhormon produzieren, kann Schilddrüsenkrebs mit einer Unterfunktion einhergehen. Kalte Knoten gelten als krebsverdächtig, im Zweifel muss die Schilddrüse operiert werden. Meist wird das Knotengewebe entfernt und noch während der Narkose untersucht. Findet man veränderte Zellen, wird die gesamte Schilddrüse, auch das gesunde Gewebe und die umgebenden Lymphknoten entfernt. Nach der Operation folgt meist eine Radiojodtherapie. Durch die radioaktive Strahlung werden verbliebene Schilddrüsenzellen im Körper abgetötet. Der Patient muss lebenslang Schilddrüsenhormone einnehmen. Rechtzeitig erkannt, liegt die Heilungsrate bei Schilddrüsenkrebs bei fast 100 Prozent. Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose): Typische Beschwerden sind dauerndes Schwitzen, ständiges Herzklopfen und Herzrasen, Nervosität, Gewichtsverlust, Leistungsschwäche und Schlafstörungen.

Jodmangel: Jod ist der wesentliche Bestandteil für die Bildung der Schilddrüsenhormone, aber der Körper kann Jod nicht selbst herstellen. Deshalb müssen wir täglich etwa 200 ·g Jod mit der Nahrung zu uns nehmen. Bei Jodmangel vermehrt die Schilddrüse ihre Zellen. So schafft sie es, bei der gleichen Jodmenge mehr Hormone zu produzieren. Allerdings wird die Schilddrüse deutlich größer. Den Betroffenen wächst ein Kropf oder eine "Struma". Unbehandelt wird die Schilddrüse immer größer und engt schließlich Halsgefäße und die Luftröhre ein. Die Folge sind Probleme beim Atmen und Schlucken, Heiserkeit und ein Engegefühl im Hals. Um diesem Jodmangel zu begegnen, werden Lebensmittel mit Jod angereichert, beispielsweise jodiertes Speisesalz. Reicht dies nicht aus wie beispielsweise in der Pubertät oder Schwangerschaft, gibt es Jodtabletten.