Mit interaktiver Grafik - Latex oder Kaltschaum? Beim Kauf einer Matratze ist es wichtig, auch darauf zu achten, was für ein Lattenrost vorhanden ist. Entscheidend ist und bleibt aber das gute Gefühl beim Probeliegen.

Ingolstadt - Darf es eine Tonnentaschenfederkern-, Mehrschichtkern- oder Viscomatratze sein? Eine Gel- oder eine Latexmatratze? Oder lieber gleich ein Boxspringbett? Das Angebot an Matratzen und Bettsystemen ist für Kunden kaum noch überschaubar. Wer ein rückenfreundliches Modell sucht, fühlt sich schnell verloren: Unzählige Matratzen werden als „orthopädisch hochwertig“ oder „vorbeugend gegen Rückenschmerzen“ angepriesen. So klagt Detlef Detjen von der Aktion Gesunder Rücken (AGR): „Die Verbraucher sind extrem verunsichert. Im Handel sagt ihnen jeder etwas anderes.“ Woran kann man sich also orientieren?

Der wichtigste Rat, den der Orthopäde Bernd Kladny parat hat, lautet: „Man muss ausprobieren, ob man auf einer Matratze gut liegt.“ Die Wirbelsäule soll nämlich annähernd so gebettet sein, wie es ihrer natürlichen Form entspricht. „Das ist wichtig, damit sie nachts entlastet wird“, sagt Kladny von der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie. Die Bandscheiben sollen sich im Schlaf möglichst gut ausdehnen, um Flüssigkeit und Nährstoffe aufnehmen zu können. „Früher hat man gemeint, bei Rückenproblemen müsse man möglichst hart liegen. Das ist überholt“, sagt der Arzt. Die Unterlage soll zwar gut stützen, aber in der Schulter- und Beckenregion nachgeben. „Sonst kann es sein, dass die Wirbelsäule durchhängt“, sagt er.

Ob es sich um eine Kaltschaum-, Latex- oder Federkernmatratze handelt, ist für den Orthopäden Nebensache. „Man kann nicht sagen, welcher Typ der beste ist“, sagt er. Ohnehin gebe es zu dem Thema kaum wissenschaftliche Studien. Das liege vor allem daran, dass Rückenschmerzen so komplex seien, sagt Kladny.

Ansonsten raten Experten, darauf zu achten, dass Matratze, Lattenrost und Unterfederung zusammenpassen. „Es kann sein, dass man eine wunderbare, teure Matratze kauft, zu Hause aber feststellt, dass man doch nicht optimal darauf liegt“, sagt Detlef Detjen. „Man muss das Bett nämlich als Gesamtheit betrachten.“ Ideal ist aus seiner Sicht eine flexible Unterfederung, die man auch verstellen kann, samt anpassungsfähiger Matratze. „Der Mensch verändert sich im Laufe des Lebens. Sie können schwanger werden, zunehmen, abnehmen oder erkranken“, sagt er. Außerdem sollte man sich laut AGR im Bett gut bewegen können, damit sich Bandscheiben und Wirbelsäule optimal regenerieren. Der Mensch ändert seine Schlafposition nämlich bis zu 60-mal pro Nacht.

Wer auf eine hochflexible Unterfederung eine starre Matratze – etwa eine einfache Federkernmatratze – packt, hat davon allerdings wenig. „Es ist sinnvoll, vom Lattenrost ein Foto zu machen und es dem Händler zu zeigen“, sagt Claudia Wieland vom Fachverband Matratzen-Industrie. „Auf einen einfachen Lattenrost sollte man zum Beispiel keine Kaltschaummatratze legen.“ Sie wird auf Dauer in die Lücken gedrückt und beschädigt.

Auch Wieland empfiehlt ein ausführliches Probeliegen beim Händler: „Und zwar sollte man nicht gerade abends zum Testen gehen, wenn man kaputt ist und sich nur noch hinlegen möchte“, sagt sie. Wichtig ist zu prüfen, ob die Wirbelsäule sowohl in Seiten- als auch in Rückenlage gerade liegt. Um das zu beurteilen, braucht man normalerweise die Hilfe eines Beraters. „Ansonsten raten wir aber, auf das eigene Gefühl zu hören und nicht auf den Verkäufer, der vielleicht sagt: ‚Darauf liegen Sie gut!’

Meist zeigt es sich erst nach ein paar Wochen, ob die Matratze wirklich eine gute Wahl war. Der Orthopäde Bernd Kladny sagt: „Mit Matratzen ist es wie mit Skischuhen: Man probiert im Geschäft, ob sie passen. Wie viel sie aber wirklich taugen, zeigt sich erst auf der Piste.“ Insofern kann es sinnvoll sein, beim Kauf darauf zu achten, ob es ein Rückgaberecht gibt. Allerdings sollte man nicht zu schnell zu dem Schluss kommen, dass man einen Fehlkauf getätigt hat. Wieland sagt: „Wer zehn Jahre auf einer ausgeschlabberten Matratze gelegen hat, muss sich erst an die neue gewöhnen. Das kann schon mal mehrere Wochen dauern.“

Wie bei Kleidern und Möbeln gibt es auch bei Matratzen Moden. Seit einigen Jahren, berichtet Wieland, haben Kaltschaummatratzen in Deutschland den höchsten Anteil. Latexmatratzen, die in den 90er Jahren beliebt waren, sind inzwischen ein Nischenprodukt. „Vernünftige Argumente gibt es dafür nicht“, sagt sie. Vor rund 25 Jahren waren hierzulande asiatische Futons ein Verkaufsschlager. Der Orthopäde Kladny erinnert sich mit Unbehagen an die harten Matten: „Nachdem meine Frau einen Futon angeschafft hatte, hatte ich eineinhalb Jahre Rückenschmerzen, bis ich mich daran gewöhnt hatte“, sagt er.

Dass schlechtes Liegen Schmerzen bereiten kann, ist offensichtlich. Kommen Rückenprobleme also oft nur daher, dass Patienten die falschen Matratzen haben? „Man kann davon ausgehen, dass falsches Liegen für einen Teil der Rückenschmerzen verantwortlich sein könnte“, sagt Kladny. „Man sollte das Thema aber nicht überbewerten.“ Trotzdem: Wer nicht gut schläft, habe wahrscheinlich ein höheres Risiko für chronische Schmerzen, meint der Orthopäde. Der Regensburger Schlafforscher Jürgen Zulley zieht den umgekehrten Schluss, nämlich: „Wer Rückenschmerzen hat, weil er schlecht liegt, schläft nicht gut.“

Zulley geht davon aus, dass gutes Liegen tatsächlich für bestimmte Menschen eine wichtige Voraussetzung für guten Schlaf ist. „Bei einem Gut-Schläfer spielt das kaum eine Rolle“, sagt der Schlafforscher. Je unzufriedener man aber mit dem Schlaf sei, umso stärker werde die Umgebung wahrgenommen. Und dazu gehört neben Licht und Geräuschen eben auch die Matratze.

Vor einigen Jahren belegte eine Forschergruppe um den Tübinger Psychologen Paul Enck und seinen Ulmer Kollegen Harald Traue diese Zusammenhänge in einer originellen Studie: Sie statteten mehrere Zimmer eines Düsseldorfer Messehotels mit neuen Matratzen unterschiedlicher Qualität aus, während in den anderen Zimmern acht Jahre alte Matratzen lagen. Danach mussten die Hotelgäste Fragebögen zu Schlafqualität und Rückenschmerzen ausfüllen. Es zeigte sich: Je besser die Matratze, desto besser hatten die Gäste geschlafen – vor allem diejenigen, die oft mit Rückenschmerzen zu kämpfen hatten. Im Test der Hotelgäste schnitten dann auch neue und hochwertige Matratzen am besten ab.