Im Einsatz: das SEK mit Spezialfahrzeug und Polizeischüler als Opfer eines Terrorangriffs Foto: 7aktuell.de/Marc Gruber

Der Polizeihubschrauber kreist über der Wildermuth-Kaserne, das SEK rückt in einem Spezialpanzer an, die Krankenwagen stehen Schlange: Am Sonntag simulieren Polizei und Rettungskräfte den Ernstfall und ihr Zusammenspiel.

Böblingen/Ludwigsburg - Die ersten Polizisten werden von den Opfern überrannt. „Helfen Sie, es gibt Tote“, rufen sie panisch. Der Pförtner der Wildermuth-Kaserne in Böblingen hat um 8.40 Uhr Alarm geschlagen: Mehrere bewaffnete Täter haben auf dem Gelände eine Veranstaltung angegriffen. Mit schusssicheren Westen und Helmen ausgestattet und mit gezogenen Pistolen rücken die Polizisten in Dreierteams zum Tatort vor. Wenig später scheint es zu einem Gefecht im hinteren Bereich der Kaserne zu kommen, zahlreiche Schüsse fallen. Das Szenario wirkt echt, ist aber eine Übung. Rund 1000 Einsatzkräfte des Polizeipräsidiums Ludwigsburg haben am Sonntag den Ernstfall geprobt. „Die abstrakte Gefahr ist gegeben“, sagt die Polizeisprecherin Yvonne Schächtele, „wir müssen üben, um vorbereitet zu sein.“

Gleich an zwei Stellen knallte es

Am Sonntag knallte es auch gleich an zwei Stellen: neben dem Terrorangriff in Böblingen ging am Ludwigsburger Residenzschloss um 8.22 Uhr eine Bombe hoch. Es war eine der größten Übungen, die Polizei und Bevölkerungsschutz je in Baden-Württemberg organisiert haben – und die erste seit der Schaffung des Polizeipräsidiums Ludwigsburg vor fünf Jahren, das auch für den Kreis Böblingen zuständig ist. „Wir trainieren immer wieder, aber nicht in dem Ausmaß und in der Intensität“, erklärt Yvonne Schächtele. Über dem Ludwigsburger Schloss kreist der Polizeihubschrauber, im Sekundentakt rasen Rettungs-, Feuerwehr- und Polizeiwagen auf das Gelände, vor dem Eingang stehen Uniformierte mit Maschinengewehren, blutverschmierte Menschen strömen ins Freie. Einige Anwohner sind noch in Bademantel und Schlafanzug auf die Straße gekommen und starren ungläubig auf die Vorgänge.

Mit einem Panzer rückt ein Spezialeinsatzkommando aus Göppingen in Böblingen an. Das mehr als 13 Tonnen schwere Gefährt ist gegen Beschuss und Sprengfallen gesichert und für den Einsatz bei Amokläufen oder Terroranschlägen gemacht. Es rast zu dem Gebäude, in dem sich die vermeintlichen Angreifer mutmaßlich verschanzt haben. Die schwer bewaffneten Polizisten strömen aus. Was dann passiert, bleibt geheim, schließlich will die Polizei nicht zu viel über ihre Strategie verraten. Die auf der Straße liegenden Verletzten rufen derweil weiter um Hilfe. „Kann mal jemand einen Krankenwagen rufen?“, ruft einer ungeduldig. „Sie machen gar nichts“, schimpft ein anderer, „und wir verbluten.“ Polizeischüler mimen die Opfer, sie tragen zwar Uniformen, aber auch rote Armbinden als Erkennungszeichen.

In die Gefahrenzone dürfen keine Rettungskräfte

Die rund 70 Einsatzkräfte des Roten Kreuzes warten auf die Freigabe für ihren Einsatz. Bei der Übung gehe es auch darum, die Kommunikation und die Zusammenarbeit zwischen der Polizei und dem Bevölkerungsschutz zu erproben. Die Veranstaltungsteilnehmer tragen die Verletzten selbst zu den in sicherer Entfernung wartenden Krankenwagen. „Die Rettungskräfte dürfen nicht in die Gefahrenzone hineinlaufen, sie sind ja ungeschützt“, erklärt der Rot-Kreuz-Sprecher Guido Wenzel die Zurückhaltung. Niemandem wäre geholfen, wenn sie auch unter Beschuss gerieten und verletzt würden. Ein Krankenwagen nach dem anderen kommt angefahren, lädt einen Verletzten ein und steuert danach rein theoretisch das Leonberger Krankenhaus an, weil die örtlichen Kliniken vermutlich mit den Verletzten, die von selbst in die Aufnahmen kommen, genug zu tun haben.

Um 11.09 Uhr ist der sonntägliche Einsatz beendet und der Polizeihubschrauber dreht ab. Eine Kameradrohne hat alle Aktionen dokumentiert. Im Polizeipräsidium wird der Ablauf nun analysiert. „So eine Übung dient dazu, dass wir Fehler machen können, die man dann im Ernstfall nicht mehr macht“, sagt Yvonne Schächtele. Aller Authentizität zum Trotz: Geschossen wurde mit Platzpatronen, und alle Beteiligten mussten ihre Dienstwaffen gegen Pistolen und Gewehre eintauschen, die nicht funktionieren.