In den nächsten Jahren wird laut Studien eine enorme Lücke bei Pflegefachkräften entstehen. 

Berlin - Studien errechnen einen Bedarf von rund 400.000 zusätzlichen Vollzeitstellen für Pflegefachkräfte bis 2020. In der Politik ist nun eine Debatte darüber entbrannt, wie diese enorme Lücke geschlossen werden kann. 

 

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler möchte bei der Ausbildung ansetzen. Der FDP-Politiker hat angekündigt, die verschiedenen Ausbildungsgänge für Kranken- und Altenpflege in der Anfangsphase zusammenzufassen. Die Ausbildung werde interessanter, wenn man sich erst später entscheiden müsse, worauf man sich spezialisiert, sagte Rösler. Eine Änderung des Berufsbildes hält auch die Pflege-Expertin Elisabeth Scharfenberg (Grüne) für notwendig. Für Pflegekräfte müssten berufliche Aufstiegschancen ermöglicht werden, sagte sie unserer Zeitung. Vom Berufseintritt nach einem Hauptschulabschluss müssten Berufskarrieren bis zu einem akademischen Abschluss ermöglicht werden, um Führungskräfte zu gewinnen. Scharfenberg erinnerte daran, dass die durchschnittliche Verweildauer im Beruf in der Altenpflege nur acht Jahre betrage, im Krankenhaus 14 Jahre. Dies liege nicht nur an der Bezahlung, sondern auch an der schwierigen Vereinbarkeit von Familie und Beruf aufgrund vieler Schichtdienste.

Der Arbeitgeberverband Pflege bezweifelt, dass eine Berufsreform allein die Personaldecke schließen kann. Deshalb sei eine gezielte Zuwanderung notwendig. Helmut Braun, der Geschäftsführer des Verbandes, glaubt nicht, dass es ausreiche, Kräfte aus EU-Staaten wie Tschechien oder Polen zu holen, aus denen heute schon viele Pflegekräfte kommen. Diese Länder hätten wie Deutschland mit demografischen Problemen zu kämpfen, deshalb würden viele Kräfte in ihren Heimatländern bleiben, wo ebenfalls großer Bedarf bestehe. Man müsse sich deshalb auch Gedanken über gezielte Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten machen. Braun nannte als Beispiele Indien, China und das südliche Brasilien. Die Politik müsse "die Schwellen für diese Art von Zuwanderung senken".

Keine Minutenpflege mehr 

Das stößt vor allem in den Reihen der Opposition auf Verständnis. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte, mittelfristig gehe es nicht ohne Zuwanderung. Lauterbach gegenüber unserer Zeitung: "Wir können unsere älteren Menschen nicht in den Pflegenotstand rutschen lassen, nur weil Herr Seehofer nicht so vielen Muslimen auf unseren Straßen begegnen möchte." CSU-Chef Horst Seehofer hatte jüngst eine heftige Debatte ausgelöst, als er sich skeptisch über eine weitere Zuwanderung aus muslimischen Ländern äußerte. Gesundheitsminister Rösler hat derweil angekündigt, sich am 7. Dezember mit Fachleuten und Verbandsvertretern aus der Pflegebranche im Ministerium zu treffen, um Grundzüge einer weiteren Pflegereform zu erörtern. Dabei gehe es auch um einen neuen Pflegebegriff. Er wolle "weg von der Minutenpflege, die nicht unserem Menschenbild entspricht". Rösler möchte auch die umlagefinanzierte gesetzliche Pflegeversicherung um eine kapitalgedeckte Komponente ergänzen. Nach Angaben des Ministeriums leben in Deutschland 2,4 Millionen Pflegebedürftige. Diese Zahl werde in den nächsten 10 bis 15 Jahren auf mindestens drei Millionen steigen.