Marco Goecke und Grancesca Ciaffoni bei den Proben von „Nijinski“ Foto: Regina Brocke

Der Choreograf Marco Goecke fühlt sich vom designierten Stuttgarter Intendanten Tamas Detrich vor die Tür gesetzt. Jeder Intendant hat das Recht, personelle Entscheidungen zu treffen. Fingerspitzengefühl sollte dabei aber selbstverständlich sein.

Stuttgart - Never change a winning team! Aber was im Sport gilt, ist in der Kunst nichts wert. Jeder Intendantenwechel bringt einen Umbau im künstlerischen Team mit sich. Im Sommer 2018 wird der Stuttgarter Ballettchef seinem Nachfolger eine Kompanie übergeben, die top in Form ist. Diese Situation zu sichern, war daher gewünscht bei der Suche nach einem Nachfolger. Andersons Stellvertreter Tamas Detrich schien der geeignete Mann – auch um Ruhe in die von Gerüchten verunsicherte Kompanie zu bringen.

Mit der Ruhe, soviel macht der Vorfall um den Vertrag des Haus-Choreografen Marco Goecke klar, ist es aber vorbei. Tamas Detrich will an der Spitze des Stuttgarter Balletts eigene Akzente setzen. Die Spielräume, die ihm neben der Pflege von Crankos Erbe bleiben, wird er maximal nutzen wollen; zwei Haus-Choreografen mögen da störend erscheinen.

Unverwechselbarer Stil

Dass die Trennung von einem international vernetzten Star, der wie wenige andere Choreografen einen unverwechselbaren Stil entwickelt hat, das Stuttgarter Ballett eher beschädigt als zukunftsfähig macht, dürfte Tamas Detrich im Lauf der Woche klar geworden sein. Auch wenn aus der ursprünglichen Absage „mögliche Pläne“ geworden sind: Von gutem Führungsstil zeugt dieses Vorgehen nicht. Ins Budget fällt die Choreografenstelle kaum. Und so ließe sich auch mit einem Haus-Choreografen Goecke ein Zukunftsmodell entwickeln, das einem neuen Intendanten genügend Spielraum für eigene Impulse lässt.

Dem aktuellen Intendanden Anderson sind bis zum Sommer 2018 alle Künstler und Tänzer verpflichtet, auch Marco Goecke für die Realisierung seines „Kafka“-Balletts. Im Hintergrund wird Tamas Detrich in den nächsten Monaten sicherlich weitere Sondierungsgespräche führen. Auch der Intendantenwechsel am Stuttgarter Ballett wird Veränderungen mit sich bringen.

andrea.kachelriess@stzn.de