Dennis Schröder ist wieder im Einsatz. Foto: AP

Der Karneval hat seine eigenen Gesetze – überall geben Pappnasen den närrischen Tagen ein Gesicht.

Stuttgart - Erinnern Sie sich noch an Berti Vogts? Der war früher Bundestrainer und passte perfekt zu seinem schlichten Trainingsanzug, bis er sich eines Tages an der Seitenlinie plötzlich im todschicken Anzug versuchte – worauf der Komiker Didi Hallervorden den Verzweiflungsschrei ausstieß: „Ist schon wieder Fasching?“

Fasching ist zum Lachen.

Fasching ist wichtig, weil viel getanzt und gesungen wird, aber vor allem gelacht. Die Wissenschaft hat herausgefunden, dass schon zwei Minuten Lachen für den menschlichen Körper und Geist so gesund sind wie zwanzig Minuten Joggen. Lachen lockert die Muskeln. Lachen reinigt die Zähne.

Der Mensch will lachen. Viele Sportfans verneigen sich beispielsweise noch heute in Dankbarkeit vor dem ZDF-Boxreporter Werner Schneider, der sich in den späten 1960ern den Satz auf der Zunge zergehen ließ: „Den Neger erkennen Sie an den weißen Socken.“ Das war schon zu der Zeit politisch nicht mehr unbedingt korrekt, doch scharenweise hielten wir Zuschauer uns wiehernd den Bauch.

Im Fußball ging es zuletzt ähnlich vergnüglich zu, dank des HSV. Die Hamburger wissen, was sie der Volksgesundheit schuldig sind, sie sind schon jetzt die Krönung und Lachnummer der diesjährigen Narrensaison. Wie der Geisterbahn entsprungen und köstlich kostümiert als Bundesligamannschaft haben sie dieses unwiderstehliche 0:8 in München herausgespielt, mit einer Leichtigkeit des Seins, die nur noch von der Leichtigkeit der Bayern beim Abschluss übertroffen wurde. Der Altstar Andy Herzog hat es als „Sky“-Experte so gesagt: „Ein bisschen mit dem Arsch wackeln – und Tor.“ Die Bayern tanzten, und die Liga lacht und lästert.

Trump lässt Dennis Schröder einreisen

Überhaupt ist der Sport auf dem Gipfel des Faschings zu allem in der Lage, sogar die Vernünftigen. Dennis Schröder, der deutsche Basketballer bei den Atlanta Hawks, ist das ganze Jahr pünktlich und zuverlässig, aber jetzt, im kurzen Heimaturlaub, hat er das US-Visum für den neuen Pass glatt vergessen und in Amerika prompt ein Spiel versäumt – immerhin hat ihn Donald Trump aber wieder reingelassen.

Das ist gar nicht selbstverständlich. Dieser Tage lief die Nachricht über die Ticker: „Sohn von Muhammad Ali am Flughafen festgehalten.“ Am Zoll in Fort Lauderdale in Florida ist es passiert. Die Einwanderungsbeamten dort stoppten ihn samt Mutter Khalila, als beide von einer Auslandsreise heimkehrten. Khalila Ali hatte Glück. Sie hatte ein Foto in der Handtasche, das sie als zweite Ehefrau des größten Boxers aller Zeiten auswies – der Sohn hatte dummerweise keines. Und los ging es mit den Fragen: „Woher haben Sie diesen arabischen Namen? Sind Sie Muslim?“

Bevor es zu Irritationen kommt: Der Sohn des ehemals Größten ist selbstverständlich US-Bürger. Hartnäckig wurde er trotzdem zu seiner Religion verhört, und vorwärts und rückwärts erzählte er den Einwanderungsbeamten die Geschichte, dass sein Vater Cassius Clay hieß und 1964 als Muhammad Ali zum Islam konvertierte, und genauso später auch seine Mutter und er. Die rannte irgendwann verzweifelt durch den Flughafen und schrie: „Helft uns!“ So ist das, wenn der Sport mit Fasching und Donald Trump zusammenfällt. Dabei hatte der US-Präsident noch letztes Jahr nach Muhammad Alis Tod schier untröstlich getwittert: „Wir werden ihn alle vermissen.“

Der junge Ali hat Pech

Der Karneval hat also auch seine Kehrseite, und das Lachen bleibt einem dann als Kloß schnell im Hals stecken. Der junge Ali will jetzt jedenfalls gegen den US-Heimatschutz und die Regierung klagen nach der Devise: Soweit darf die Narrenfreiheit nicht gehen.

Andere Zeiten, andere Jecken. Nicht einmal die deutsche Faschingshochburg bleibt von dem galoppierenden Trend verschont. Der FSV Mainz 05 durfte am Samstag beim Sieg in Leverkusen zwar noch ungestraft singen und lachen, aber dafür wurden mehrere Büttenredner der TV-Prunksitzung „Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht“ wegen ihres scharfzüngigen Humors gegen die um sich greifenden Rechtspopulisten beleidigt, beschimpft und bedroht. Manchmal ist Fasching mittlerweile auch zum Weinen.

Auf jeden Fall aber verrückt. Fragen Sie Valérien Ismaël. Alles hat der als Trainer des VfL Wolfsburg zuletzt gegen Bremen richtig gemacht, taktisch und engagiert spielte seine Mannschaft den Gegner an die Wand, verlor aber trotzdem, und Ismaël wurde entlassen. „Die Welt, in der wir leben, ist brutal“, hat neulich sein Kollege Steve Bruce von Aston Villa gesagt – und wenn dann auch noch Fasching ist, kann ein Trainer einpacken.

Wie Claudio Ranieri. Geschwind gefeuert haben die Bosse von Leicester City ihren Italiener, der ihnen letztes Jahr mit dem Meistertitel das größte Wunder des Sports bescherte – dummerweise hat er damit die Latte für sich selbst so hoch gelegt, dass er danach nur noch unten durchlaufen konnte. Jetzt ist er weg, und Jürgen Klopp fragt rhetorisch: „Bin ich überrascht, dass solche Dinge passieren? Nein. Es ist ja nicht nur Fußball. Es passieren viele eigenartige Dinge: Brexit. Trump, Ranieri.“

„So ist Fußball“, sagte Ranieri in der Stunde der Entlassung zu seinem Assistenten Craig Shakespeare. Der ist nicht verwandt mit dem gleichnamigen Dichter, aber nicht mehr ganz dicht, finden böse Zungen, sind dafür die thailändischen Besitzer des Clubs: Vichai Srivaddhanaprabha und Aiyawatt Srivaddhanaprabha.

Auch die klingen nach Fasching. Jedenfalls treiben im Schutz der närrischen Tage viele Pappnasen ihr Unwesen. Letzten Samstag sind etliche vor dem Spiel der Hertha gegen die Eintracht aus der geschlossenen Abteilung des Narrenkappenverleihs entsprungen und haben sich, verkleidet als Fußballfans, gegenseitig die Hohl- und Gipsköpfe eingeschlagen. Aber wundern wir uns nicht – vor ein paar Jahren haben an Fasching sogar einmal Fans des FC Bayern unter dem Absingen wüster Lieder gegen die Verpflichtung des damaligen Schalker Torwarts Manuel Neuer dick bepinselte Pappschilder hochgehalten: „Koan Neuer!“ So sackdoof, dass er den besten Torwart der Welt nicht will, kann ein Fan eigentlich nicht sein.

Nur an Fasching.