Ob wegen Hitze, Föhn oder Regen: Etwa die Hälfte der Deutschen bezeichnet sich selbst als wetterfühlig. Viele Beschwerden schreiben sie der Witterung zu wie etwa Gelenk- oder Gliederschmerzen, Abgespanntheit oder Kreislaufprobleme. Foto: dpa

Regen schlägt auf das Gemüt, Föhn auf die Stirn, Hitze auf das Herz: Das Wetter wird für so manches Leiden verantwortlich gemacht. Krankenkassen, Apotheken und Meteorologen stimmen mit ein. Doch mit dieser Einstellung steht die Bundesrepublik alleine da.

Regen schlägt auf das Gemüt, Föhn auf die Stirn, Hitze auf das Herz: Das Wetter wird für so manches Leiden verantwortlich gemacht. Krankenkassen, Apotheken und Meteorologen stimmen mit ein. Doch mit dieser Einstellung steht die Bundesrepublik alleine da.

Freiburg - Der Kopf pocht. Die Laune ist miserabel. Ein Blick aus dem Fenster, und die Diagnose ist klar: Schuld an den Zipperlein ist nur das Regenwetter. „Kopfschmerzen und Migräne treten verstärkt auf, ebenso Narben- und Rheumaschmerzen. Bei niedrigem Blutdruck kann es zu Kreislaufproblemen kommen“, heißt es auch in der Rubrik Biowetter. Und schon schmerzt der Körper etwas mehr.

Etwa die Hälfte der Deutschen bezeichnet sich selbst als wetterfühlig: Viele Beschwerden schreiben sie der Witterung zu wie etwa Gelenk- oder Gliederschmerzen, Abgespanntheit oder Kreislaufprobleme. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD) in Zusammenarbeit mit der Universität München. Ob Herzrasen, Schlaflosigkeit oder Müdigkeit – an allem ist in Deutschland das Wetter schuld.

Solche Erhebungen motivieren zu Biowetter-Prognosen: Der Deutsche Wetterdienst (DWD) etwa veröffentlicht pro Tag zwei Biowetter-Analysen für elf verschiedene Regionen – inklusive Tipps, welches Hausmittel gegen welche Wetterlage am besten hilft. Die Ratschläge werden dankbar angenommen: Vier von fünf Deutschen bezeichnen die Vorhersagen als „hilfreich“ oder „teils hilfreich“, heißt es beim DWD.

Deutsche sind nie an etwas selbst schuld

Tatsächlich scheint das Biowetter auch nur ein typisch deutsches Phänomen zu sein. Keine andere Nation betreibt den Biowetter-Kult so exzessiv wie die Bundesrepublik. Die Briten, bekannt für ihre stürmischen, regnerischen Küsten, kennen kein Biowetter. In den USA, Heimatland von Tornados, Hurrikans und exzessiven Dürreperioden, warnt kein einziger Wetterfrosch vor Rheuma und Narbenschmerzen.

„Der Glaube, selbst an etwas schuld zu sein, ist eben keine typisch deutsche Eigenschaft“, erklärt der Meteorologe Jörg Kachelmann die deutsche Biowetter-Begeisterung. „Hat man Kopfweh, muss es das Wetter sein. Deswegen fällt der Biowetter-Hokuspokus hier auf fruchtbareren Boden als anderswo auf der Welt.“ Der Münchner Klimaexperte Jürgen Kleinschmidt von der Universität München sieht es ähnlich: „Wenn nach dem Oktoberfest der Schädel brummt, kommt das Wetter gerade recht. Das funktioniert wie beim Horoskop.“

Der Hauptkritikpunkt des Experten: Es mangelt an wissenschaftlichen Beweisen. „Es gibt keine Arbeiten, die zeigen, dass bei dauerhafter Tiefdrucklage besonders häufig Migräne auftritt“, sagt Dietrich Höffler, Medizin-Professor und Ausschussmitglied der Bundesärztekammer. Das Biowetter hält er für „aktive Beihilfe zur Hypochondrie und unnötigem Medikamentenkonsum.“

Dabei bestreiten die Biowetter-Kritiker gar nicht, dass das Wetter das Befinden beeinflusst. Allerdings seien nur wenige Einflüsse bewiesen: etwa der Pollenflug, der allergische Reaktionen hervorrufen kann. Ebenso die Schädigung der Hautzellen von zu starker UV-Strahlung. Klar ist auch, dass zu viel Ozon Atemwegserkrankungen auslösen und das Zusammenspiel von Temperatur, Feuchtigkeit und Wind für Kälte- beziehungsweise Hitzestress sorgen kann. Doch um diese Zusammenhänge zu erkennen, braucht es eigentlich keine Biowetter-Prognose, so die Experten.

Bei jeder Wetterlage rausgehen

Beim Deutschen Wetterdienst kennt man die Meinung der Biowetter-Kritiker. Und die Meteorologen widersprechen auch nicht: „Krank macht das Wetter nicht“, sagt etwa die Medizinmeteorologin Christina Koppe vom DWD in Freiburg. Wer allerdings ohnehin gestresst oder angeschlagen sei, spüre Wetterumschwünge sehr wohl.

Zusammen mit der Hochschule Hof hat Koppe die Daten des Projekts „Migräne-Radar“ ausgewertet, bei dem Betroffene ihre Beschwerden online melden können. Das Ergebnis: „Wir haben festgestellt, dass sowohl ein Temperaturrückgang als auch ein Temperaturanstieg um etwa fünf Grad im Vergleich zum Vortag die Meldungen um etwa 20 Prozent erhöht.“

Betroffene müssen sich ihrem Schicksal aber nicht tatenlos fügen. „Wichtig ist, bei jeder Wetterlage rauszugehen“, sagt Koppe. Nur so könne sich der Körper an Umschwünge gewöhnen. „Abgesehen davon stärken Bewegung, Wechselduschen und Saunagänge das Immunsystem.“ Wer besonders wetterfühlig ist, solle seinen Körper möglichst wenig beanspruchen, sich ausgewogen ernähren und auf regelmäßigen Schlaf achten.