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Die US-Raumfahrtbehörde löst mit einer irdischen Entdeckung Spekulationen über Aliens aus.

Washington - US-Forscher stellen mit einer Entdeckung biologische Erkenntnisse auf den Kopf. Es gibt Bakterien, die giftiges Arsen fressen und in ihr Erbgut einbauen. Könnte es ähnliche Lebensformen auch im All geben? Wird außerirdisches Leben dadurch wahrscheinlicher?

Sind wir allein im All? Die Suche nach E. T. - Extra-Terrestrial, also außerirdischem Leben - beflügelt seit Urzeiten die Fantasie der Menschheit. Trotz aller astronomischen Anstrengungen ist das Universum für den Homo sapiens ein unendlicher Raum geblieben, in dem außer dem Leben auf der Erde keine Mikrobe, geschweige denn eine intelligente Spezies existiert. Die wilden Spekulationen, die jetzt die Ankündigung der US-Weltraumbehörde Nasa im Internet ausgelöst haben, lassen sich nur mit der tiefen Sehnsucht des Menschen erklären, dass da draußen in den Weiten des Weltalls doch irgendetwas existiert.

Die Nasa-Forscher hatten für Donnerstagabend eine Entdeckung angekündigt, "die Auswirkungen auf die Suche nach Beweisen für außerirdisches Leben haben wird". Aliens? Neue Lebensformen auf jüngst entdeckten Planeten, die erdähnliche Lebensbedingungen aufweisen könnten. Die vermeintliche Sensation ist faszinierend, aber sehr irdisch. Im Schlamm des unwirtlichen kalifornischen Salzsees Mono Lake haben die Wissenschaftler Bakterien entdeckt, die Arsen fressen und verwerten. "Es handelt sich um irdisches Leben, aber nicht um Leben, wie wir es kennen", sagt die Nasa-Astrobiologin Mary Yoytek.

Bisher gilt in der Wissenschaft die eiserne Regel, dass Leben nur aus sechs chemischen Elementen besteht: Phosphor, Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Schwefel und Sauerstoff. Einig sind sich die Forscher auch darin, wie der Tübinger Astrophysiker Willy Kley erklärt, dass alles Leben - auch außerirdisches - nur auf Kohlenstoffbasis vorstellbar ist und nicht als reine Energie existiert.

Alles Leben ist nur auf Kohelnstoffbasis vorstellbar

Die kalifornischen Bakterien können anstelle des Phosphors das giftige Schwermetall Arsen verdauen. Beide Elemente sind sich chemisch sehr ähnlich. Gerade diese Ähnlichkeit ist es, die Arsen für die meisten Lebenwesen so toxisch macht. Der Stoffwechsel kann beide Elemente in ihrer biologisch aktiven Form nicht unterscheiden. Wird anstelle des Lebenselixiers Phosphor Arsen aufgenommen, funktionieren zentrale biochemische Prozesse nicht mehr. Die Lebensform muss unweigerlich sterben.

Bei ihrem Experiment entnahmen die Nasa-Forscher aus dem Schlamm des Sees See Proben und gaben den darin enthaltenen Bakterien anstatt Phosphor ausschließlich Arsen. Dabei erhöhten sie allmählich die Dosis und stellten fest, dass die Bakterien Arsen in Fette, Proteine und in das DNA-Erbgut einbauten. Damit sei, so ihr Fazit, erstmals belegt, dass ein zentraler Baustein irdischen Lebens durch ein anderes Element ersetzt werden kann. "Die Definition von Leben hat sich erweitert", meint der US-Forscher Ed Weiler.

Vom kleinen Kalifornien ins unendliche Universum - für die Nasa ist das nur ein kleiner Sprung. "Wir haben die Tür einen Spalt weit geöffnet und sehen, was auch andernorts im Universum möglich ist", so Astrobiologin Felisa Wolfe-Simon. Wenn ein Wesen dieses Planeten so etwas Unvorhergesehenes tun könne, werfe dies ein neues Licht auf die Möglichkeiten des Lebens generell.

Die Nasa steht unter dem Druck von Budgetkürzungen

Die Forscher identifizierten die Bakterien als einen Stamm namens GFAJ-1 aus der Familie der Halomonadaceae. Niemand in Deutschland kennt sich so gut wie Karl O. Stetter mit diesen sogenannten Extremophilen aus: Organismen, die wie diese Bakterien unter extrem lebensfeindlichen Umweltbedingungen leben können. Seit Jahrzehnten reist der Mikrobiologe von der Universität Regensburg durch die Welt, um die außergewöhnlichsten Lebensformen vor Ort zu studieren. Sein Spezialgebiet sind vor allem thermophile Organismen, die an hohe Temperaturen von 80 Grad Celsius und mehr angepasst sind. "Wenn es tatsächlich stimmt, dass sich Arsen in der DNA der Bakterien anreichert, wäre das wirklich sensationell", erklärt Stetter. "Dies würde zeigen, wie wahnsinnig anpassungsfähig das Leben ist. Aber man sollte mit den Schlussfolgerungen nicht zu weit gehen."

Auch der Marburger Mikrobiologe Johann Haider ist skeptisch und spricht von einem "großen Hype", der durch die Nasa-Daten im Detail nicht gedeckt sei. Der Dresdner Biochemiker Karl-Heinz van Pee schränkt ein, die Bakterienstudie ließe keine eindeutigen Schlüsse zu. "Man hat es nicht geschafft, das ganze Phosphor frei zu machen." Folglich müsse man die Biochemie nicht neu schreiben, sondern allenfalls eine Fußnote hinzufügen.

Fest steht: Die US-Forscher haben eine bisher unbekannte, exotische Variante der Evolution enthüllt, die unser Verständnis von Leben fundamental erweitern könnte. Aber ist diese Entdeckung auch der Durchbruch auf der Suche nach E. T.? Harald Lesch lacht. Der Physiker und Astronom von der Universität München anerkennt die Bedeutung der Studie für "die Erforschung des Lebens auf der Erde". Hier sei eine Variante aufgetaucht, die sich ganz anders verhalte als der Mainstream. "Aber", schränkt er sofort ein, "das ist nicht der Durchbruch auf der Suche nach außerirdischem Leben. Es zeigt wieder einmal, dass wir viel weiter denken müssen, wenn wir über irdisches und außerirdisches Leben nachdenken."

Der Nasa wirft Lesch vor, "aus politischen Gründen über das Ziel hinausgeschossen" zu sein. In den USA stehe die Behörde unter dem Druck von Budgetkürzungen. Da sei jede positive Nachricht, die die eigene Wichtigkeit unterstreiche, willkommen. "In der Öffentlichkeit kann man solche Entdeckungen heute nur noch transportieren, wenn man sie sofort zusammenbringt mit der grandiosen Frage, ob wir allein im Universum sind. Aber so spektakulär ist diese Entdeckung von Extremlebewesen nicht."

Die Suche nach Planeten, auf denen leben existieren könnte, geht weiter

Für die Existenz intelligenten Lebens außerhalb des Blauen Planeten spricht schon allein die Statistik: Neben 200 bis 400 Milliarden Sternen in der Milchstraße gibt es mehr als 100 Milliarden Galaxien. Seit dem Jahr 1960 werden im Rahmen des Projekts Seti (Search for Extraterrestrial Intelligence - Suche nach außerirdischer Intelligenz) verschiedene wissenschaftliche Programme betrieben, die nach Signalen extraterrestrischer Zivilisationen suchen. Bisher sind sie genauso erfolglos geblieben wie die Suche mit Teleskopen. Zwar gebe es Vermutungen und Theorien über außerirdisches Leben, aber keinen einzigen Hinweis, erklärt Willy Kley. Genauso wenig habe man Planeten gefunden, auf dem Leben existieren könnte. Die Suche geht weiter. "Irgendwann", ist sich der Tübinger Astrophysiker sicher, "werden wir anderes Leben entdecken. Die Wahrscheinlichkeit ist groß."

Auch für Lesch steht zweifelsfrei fest: "Außerirdisches Leben - klar gibt es das." Es gebe keinen Grund zu glauben, dass die Erde etwas Besonderes sei. "Sie ist der kosmische Durchschnittsfall. Wir sollten uns nicht zur Ausnahme machen." Das aus seiner Sicht Positive an der Nasa-Entdeckung ist, dass sie den Blick für das Unmögliche, Undenkbare schärft. Als Beispiel nennt er den Saturnmond Titan, wo die Temperatur minus 179 Grad Celsius beträgt. "Vielleicht gibt es in seinen Metanseen Leben - natürlich keine Delfine, die umherspringen."

Bei Aliens denken viele an komplexe künstliche Intelligenzen mit menschenähnlichen Attributen. Logischer wäre es, sie sich als einfachste biologische Systeme vorzustellen - etwa Mikroben. Theoretisch ist es denkbar, dass solche Mikroben aus den Tiefen des Alls auf der Erde wie Samen auf einer Südseeinsel gestrandet sind. Es wäre eine völlig andere Variante der Alien-Invasion als diejenige, die H. G. Wells in seinem grandiosen Science-Fiction-Roman "Krieg der Welten" gezeichnet hat.

Auch Wolfgang Kehl hat die Nasa-Meldungen aufmerksam verfolgt. Unter dem Pseudonym Arndt Ellmer schreibt er für die seit 1961 erscheinende Science-Fiction-Serie "Perry Rhodan". Kehl hält die Existenz außerirdischen Lebens für "sehr wahrscheinlich". Allerdings haben die echten Extraterresten nichts mit jenen Wesen zu tun, die er in seinen "Perry-Rhodan"-Heften kreiert. "Es könnte eine mikrobiologische Intelligenz, es könnten auch Planeten sein, die eine einzige globale Intelligenz besitzen."

Wie Lesch ist auch der Fantasy-Autor überzeugt, dass die Suche nach Aliens erst begonnen hat. "Früher waren wir einzigartig, die Erde war Mittelpunkt des Alls", sagt Kehl. "Heute stehen wir erst am Anfang, uns aus dieser Engstirnigkeit zu lösen."